Earthbound (SSF 77)

Hmm, EarthBound also. EarthBound ist ein Spiel, das schon seit einigen Jahren zu meinen Favoriten zählt. Ich würde es weder als mein absolutes Lieblingsspiel (das ist bei mir Ocarina of Time) noch als das beste JRPG (das ist für mich Chrono Trigger) bezeichnen, aber es ist sehr wahrscheinlich das Spiel, das mir mit der Zeit am meisten ans Herz gewachsen ist. Gleichzeitig fällt es mir doch oftmals schwer über das Spiel zu schreiben, da es so viele interessante Facetten aufweist und sich in seiner ganz eigenen Art den üblichen Beurteilungsmaßstäben verweigert.

Über EarthBound wird gerne in Zusammenhang mit Überraschungen und besonderen Momenten gesprochen. In der Regel liegt der Fokus dabei eher auf den skurrilen und den bizarren Momenten, aber zu dieser Mischung aus unterschiedlichen Emotionen kommt aus meiner Sicht auch eine gewisse Warmherzigkeit, die EarthBound so besonders macht. EarthBound ist für mich beispielsweise, dass man an einer Stelle im Spiel 3 Minuten hinter einem Wasserfall warten muss, um in einen Dungeon zu gelangen. Nach Abschluss des Dungeons bekommt man eine herzliche Nachricht bei der Teepause zu lesen, die den bisherigen Verlauf des Abenteuers zusammenfasst, aber auch Mut für die kommenden Aufgaben ausspricht. Auch gibt es nach jeder erlangten Melodie einen besonderen Moment, der oftmals in Verbindung mit der Kindheit von Ness und seiner Familie steht.

Das Finale passt dementsprechend aus meiner Sicht auch sehr gut, da man den finalen Boss nicht – wie üblich in JRPGs – mit überlegener Stärke besiegt, sondern durch die Unterstützung von Personen, die man im Verlauf des Abenteuers getroffen hat. Zumal der Bruch mit der vierten Wand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht so verbreitet war wie heute durch diverse Indie-Spiele. Auch finde ich das bodenständige Ende des Spiels sehr stimmig gewählt, indem man mit Paula nochmal gemütlich durch die bekannten Gebiete schlendern kann. Zumal einige NPC nach dem Finale nochmal neue Texte erhalten haben.

Ich mag auch den Grafikstil, der mich ein bisschen an die Peanuts-Comics von Charles M. Schulz erinnert, die ich sehr schätze. Wie viele Aspekte des Spiels wirkt auch die Grafik zunächst unscheinbar, aber passt insgesamt wunderbar zur Stimmung von EarthBound. Zumal sich auch bei der Grafik die Experimentierfreude und Kreativität zeigt, z. B. bei Blickperspektiven (Fourside), Schriftarten (Saturn Valley) und Stilarten (Moonside).

Das Gameplay ist zwar auf der einen Seite konventionell und in den Kämpfen etwas altbacken, da es sich stark an Klassiker wie Dragon Quest orientiert, aber EarthBound bietet auf der anderen Seite auch so viele smarte Ideen, die zu der Zeit nicht üblich waren, z. B. sichtbare Gegner auf der Map und schnelles Kampfende bei einem hohen Level. Gerade sichtbare Gegner waren zu der Zeit nicht üblich. Das Spiel hat sogar ein integriertes Hinweissystem, sodass es in Städten eine Person gibt, bei der sich gegen Geld Hinweise zum weiteren Fortschritt kaufen lassen. EarthBound ist dadurch für mich in vielerlei Hinsicht auch ein deutlich moderneres Spiel als ein Großteil der anderen JRPGs, die häufig als Top-Titel aus der Zeit genannt werden. Gerade JRPG mit langwierigen Zufallskämpfen und Grinding finde ich heute in der Regel schlechter gealtert.

Ich sehe es daher auch nicht zwingend als Nachteil, dass da ein unerfahrenes Team unter Itoi an dem Spiel entwickelt hat, sondern EarthBound ist wahrscheinlich gerade deshalb dieses außergewöhnliche Spielerlebnis und bietet ungewöhnliche Ansätze für Spielmechaniken, weil die Entwicklung mit Itoi von einer Person geleitet wurde, die einen Blick von außerhalb der Branche eingebracht hat. Und das Spiel trägt klar die Handschrift von Itoi, was sich allein schon bei den Texten der NPCs zeigt, die ganz anders sind als man es bei einem JRPG erwarten würde. Bei Itoi habe ich zudem den Eindruck, dass für ihn tatsächlich nicht der kommerzielle Erfolg eines Produktes die Ausgangsbasis war, sondern er durch Spiele wie Dragon Quest das Medium Videospiele als eine weitere Möglichkeit entdeckt hat, um seine Kreativität ausleben zu können. Ähnlich wie Itoi es zuvor mit seinen Büchern, Fernsehsendungen und als Gestalter für Werbeanzeigen getan hat. Das zeigt sich auch bei der Herangehensweise bei der Entwicklung des Spiels im Vergleich zu der professionellen Herangehensweise bei Nintendo selbst.

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr weiß ich EarthBound als Spielerfahrung zu schätzen. EarthBound stellt ist ein Kontrast zu vielen Dingen in der Gaming Branche, die mich seit einigen Jahren zunehmend stören. Durch den kindlichen Stil und dem sympathisch-albernen Humor ist es ein wohltuender Kontrast zu vielen Spielen, die häufig auf Protagonisten und Settings setzen, die von Jungs bei Spielen eher als cool empfunden werden. Zumal das Spiel mit seiner Freude am Experimentieren für mich ein Gegenstück zu heutigen AAA-Spielen darstellt, die angesichts steigender Entwicklungskosten zunehmend an bewährten Erfolgskonzepten klammern, um möglichst keine potenziellen Käufer auf dem Massenmarkt mit Experimenten bei Stilmitteln und Spielmechaniken zu verschrecken, wodurch Spiele allerdings auch profilloser werden. EarthBound hat Momente und Mechaniken, die nicht jedem gefallen, aber allein die Tatsache, dass es sich die ganzen Dinge traut, macht das Spiel gleichzeitig so viel interessanter als einige andere Spiele auf dem Markt. Es hat dadurch auch mehr mit heutigen Indie-Spielen gemein, die nicht selten auch von EarthBound beeinflusst wurden. Das bekannteste Beispiel ist da sicherlich Undertale, das von Toby Fox entwickelt wurde, der davor an EarthBound-Mods mitgewirkt hat.

Letztlich ist EarthBound für mich vor allem ein Spiel mit Herz und Charakter. Ich entdecke in dem Spiel eine kindliche Begeisterungsfähigkeit für simple Dinge im Leben, das aber hinter all dem absurden Humor und skurrilen Momenten noch eine gewisse Warmherzigkeit aufweist. Mich erinnert EarthBound dadurch auch an ein Zitat von Shigeru Miyamoto: „I think that inside every adult is the heart of a child. We just gradually convince ourselves that we have to act more like adults.“ Vielleicht liegt ein Grund für die große Beliebtheit von EarthBound als Kultspiel auch darin, dass es Itoi mit EarthBound bei manchen Personen gelingt, dieses Kind in einem auf besondere Weise anzusprechen.

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AVGN ist immer zu empfehlen.

Hattet ihr bei Neuromancer nicht von diesem prominenten Psychologen gesprochen, der auch an Videospielen beteiligt war? Das war doch sogar noch ein paar Jahre früher.

By the way…zum Klischee, dass Frauen eher als Heilerinnen eingesetzt werden…also sollte man sich nicht schützend vor eine Frau werfen, sondern im Namen der pc und „Klischees“ darauf warten, dass sie sich vor den Mann wirft?
Mal im Ernst… In Kriegen ist es doch genauso. Das hat mit Klischees gar nichts zu tun.
Von daher ist das Spiel hier sehr unrealistisch.

Ist ein Bug der vor einem Tag in der Beta-Version behoben wurde :metal:

Ich bin sehr zufrieden mit AntennaPod

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Danke für die schöne Folge.

Sie hat mich allerdings darin bestärkt, dass ich das Spiel nicht spielen werde. Ich konnte den Hype um das Spiel noch nie nachvollziehen.

Die simple Grafik hat mich schon immer abgeschreckt. Aber nun weiss ich, dass auch das Gameplay nicht weltbewegend ist. Es scheint mir eine Art netter, ulkiger, und kreativer „Skin“ zu sein, der über relativ unspektakuläre RPG Standardmechaniken und extrem lineares Gameplay gestülpt wurde.

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Wieder ein mir gänzlich unbekanntes Spiel.

Spannend! Aber diesmal wollte der Funke nicht so recht überspringen.
Ich finde die Grafik nicht sehr ansprechend und auch nicht „einzigartig“ genug, dass es mich interessieren könnte.
Auch die Musik konnte mich nicht fesseln und die seltsame Geschichte schon gar nicht.
Bis hierhin ist mir also bislang leider verborgen geblieben, warum dieses Spiel einen Kultstatus erlangte.
Vielleicht liegt es einfach daran, dass man es selbst spielen muss.
Aber dafür stehen die Chancen bei mir aus genannten Gründen eher schlecht.

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Ich weiß nicht, wieso aus dem ersten Satz der zweite folgen sollte. Grundsätzlich sollte sich unabhängig vom Geschlecht die Person, die stärker ist, schützend vor die stellen, die schwächer ist. Das Setting von EarthBound ist kein klassischer Krieg, sondern die Reise von vier Schulkindern, die in einen Kampf gegen „das Böse“ hereingezogen werden. Dabei ist Paula eher schwach (gemessen an den Hitpoints auf einem bestimmten Level), ihre Magie-Stats sind aber eher offensiv und weniger auf Heilen ausgerichtet. Das ist der Bruch mit dem Klischee.
In einem Spiel, in dem ohne weitere Erklärung Fotografen vom Himmel fallen, ein Bild machen und wieder entschweben, wäre dieser Klischeebruch nicht das allererste, was mich dazu bringen würde, das Spiel als unrealistisch zu beschreiben.

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Ich musste bei den Gespräch die ganze Zeit an Undertale denken, gibt es da Parallelen?

Ja, das ist in der Tat kein Zufall. Wie oben schon geschrieben, wurde Undertale von Toby Fox entwickelt, der ein großer Fan von EarthBound ist. Er hat auch an ROM-Hacks zu EarthBound mitgewirkt, z. B. ist eine frühe Version des Tracks Megalovania aus Undertale bereits in einem solchen Rom-Hack mit Halloween-Thematik zu hören

Generell hat EarthBound durch die späte Bekanntheit noch Einfluss auf die Branche ausgeübt, was sich vor allem in der Indie-Szene zeigt. Weitere Beispiele wären wohl unter anderem OMORI (OMORI on Steam) und das sich noch in der Entwicklung befindende Heartbound (Heartbound on Steam). Auch wird EarthBound von Trey Parker und Matt Stone als eine Inspiration für das South Park-RPG Stick of Truth genannt (https://www.destructoid.com/south-park-the-stick-of-truth-inspired-by-earthbound/).

Es finden sich auch diverse Artikel über den Einfluss von EarthBound auf die Spielebranche.

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Ein toller Podcast zu einem mir bislang vollkommen unbekannten Spiel! Aber mein Interesse ist definitiv geweckt. Muß ich mir mal bei Gelegenheit genauer anschauen.

Finde das interessant, wie das echt anscheinend in vielen Kreisen gänzlich unbekannt ist. Dachte, das hätte sich mittlerweile doch irgendwie zum allseits bekannten Kultklassiker gemausert, aber ist wohl Bubble-abhängig.
Aber ey, das war letztens in der Zeitreise im Insider, da dürfte es hier eigentlich niemanden geben, der das nicht kennt?! :male_detective::face_with_raised_eyebrow:

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StayForever hat ja gerade echt einen Lauf, eine Banger-Folge nach der anderen und dann noch fantastischer Bonuskram wie das coole CDV-Interview.

Für meinen Geschmack ging es in der Folge einen Tick zu lang um das mittelmäßige Gameplay - ich würde argumentieren das es das klassische Gameplay braucht damit sich der Irrsinn des Spiels so gut wie möglich entfalten kann und einem das Spiel nicht im Weg steht bzw. das ist der Anker der den Spieler erdet während der Wahnsinn seinen Lauf nimmt. Das war schon im Vorgänger so, wird in Earthbound noch einmal viel stärker gemacht. Wäre das experimenteller (denke da mit Schrecken an Sachen wie D oder Enemy Zero) oder schwerer zugänglich, es würde nicht funktionieren. Zusätzlich fehlt uns im Westen die Dragon Quest-Sozialisation, in Japan zieht es allein deshalb schon anders.

Für einige hier, die das Spiel kategorisch ablehnen:
Wenn man sich das Spiel nur auf Grafikstil (das Spiel ist ja nicht „hässlich“ weil es nicht besser ging, der Look ist eine bewusste Entscheidung) und DragonQuest-JRPG-Geballer runterbricht, dann verpasst man eine der besten 16-Bit-Erfahrungen und eines von Nintendos bemerkenswertesten Releases - sicher gibt es moderne Spiele die so ähnlich sind (Undertale ist geil) bzw. die sich auch an Themen abarbeiten die über looten und leveln hinaus gehen, aber wir reden hier von einem Vollpreis-Nintendospiel auf dem SNES. Vielleicht bin ich da auch irgendwie empfänglicher für die Stimmungen die das Spiel manchmal hat, da ist auf jeden Fall noch eine spürbare zweite Ebene hinter der Spielfassade und wenn einen die erstmal erfasst hat gibt es keinen Weg zurück.

In diesem Sinne: zockt Earthbound!

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Geht es um die letzten 10 Jahre?

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Großartige Folge. Vielen Dank dafür :smiling_face_with_three_hearts: Wollte das immer spielen, aber inzwischen habe ich die Hoffnung auf ein Modul aufgegeben und werde es wohl auf Nintendo Switch Online spielen.

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