Hmm, EarthBound also. EarthBound ist ein Spiel, das schon seit einigen Jahren zu meinen Favoriten zählt. Ich würde es weder als mein absolutes Lieblingsspiel (das ist bei mir Ocarina of Time) noch als das beste JRPG (das ist für mich Chrono Trigger) bezeichnen, aber es ist sehr wahrscheinlich das Spiel, das mir mit der Zeit am meisten ans Herz gewachsen ist. Gleichzeitig fällt es mir doch oftmals schwer über das Spiel zu schreiben, da es so viele interessante Facetten aufweist und sich in seiner ganz eigenen Art den üblichen Beurteilungsmaßstäben verweigert.
Über EarthBound wird gerne in Zusammenhang mit Überraschungen und besonderen Momenten gesprochen. In der Regel liegt der Fokus dabei eher auf den skurrilen und den bizarren Momenten, aber zu dieser Mischung aus unterschiedlichen Emotionen kommt aus meiner Sicht auch eine gewisse Warmherzigkeit, die EarthBound so besonders macht. EarthBound ist für mich beispielsweise, dass man an einer Stelle im Spiel 3 Minuten hinter einem Wasserfall warten muss, um in einen Dungeon zu gelangen. Nach Abschluss des Dungeons bekommt man eine herzliche Nachricht bei der Teepause zu lesen, die den bisherigen Verlauf des Abenteuers zusammenfasst, aber auch Mut für die kommenden Aufgaben ausspricht. Auch gibt es nach jeder erlangten Melodie einen besonderen Moment, der oftmals in Verbindung mit der Kindheit von Ness und seiner Familie steht.
Das Finale passt dementsprechend aus meiner Sicht auch sehr gut, da man den finalen Boss nicht – wie üblich in JRPGs – mit überlegener Stärke besiegt, sondern durch die Unterstützung von Personen, die man im Verlauf des Abenteuers getroffen hat. Zumal der Bruch mit der vierten Wand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht so verbreitet war wie heute durch diverse Indie-Spiele. Auch finde ich das bodenständige Ende des Spiels sehr stimmig gewählt, indem man mit Paula nochmal gemütlich durch die bekannten Gebiete schlendern kann. Zumal einige NPC nach dem Finale nochmal neue Texte erhalten haben.
Ich mag auch den Grafikstil, der mich ein bisschen an die Peanuts-Comics von Charles M. Schulz erinnert, die ich sehr schätze. Wie viele Aspekte des Spiels wirkt auch die Grafik zunächst unscheinbar, aber passt insgesamt wunderbar zur Stimmung von EarthBound. Zumal sich auch bei der Grafik die Experimentierfreude und Kreativität zeigt, z. B. bei Blickperspektiven (Fourside), Schriftarten (Saturn Valley) und Stilarten (Moonside).
Das Gameplay ist zwar auf der einen Seite konventionell und in den Kämpfen etwas altbacken, da es sich stark an Klassiker wie Dragon Quest orientiert, aber EarthBound bietet auf der anderen Seite auch so viele smarte Ideen, die zu der Zeit nicht üblich waren, z. B. sichtbare Gegner auf der Map und schnelles Kampfende bei einem hohen Level. Gerade sichtbare Gegner waren zu der Zeit nicht üblich. Das Spiel hat sogar ein integriertes Hinweissystem, sodass es in Städten eine Person gibt, bei der sich gegen Geld Hinweise zum weiteren Fortschritt kaufen lassen. EarthBound ist dadurch für mich in vielerlei Hinsicht auch ein deutlich moderneres Spiel als ein Großteil der anderen JRPGs, die häufig als Top-Titel aus der Zeit genannt werden. Gerade JRPG mit langwierigen Zufallskämpfen und Grinding finde ich heute in der Regel schlechter gealtert.
Ich sehe es daher auch nicht zwingend als Nachteil, dass da ein unerfahrenes Team unter Itoi an dem Spiel entwickelt hat, sondern EarthBound ist wahrscheinlich gerade deshalb dieses außergewöhnliche Spielerlebnis und bietet ungewöhnliche Ansätze für Spielmechaniken, weil die Entwicklung mit Itoi von einer Person geleitet wurde, die einen Blick von außerhalb der Branche eingebracht hat. Und das Spiel trägt klar die Handschrift von Itoi, was sich allein schon bei den Texten der NPCs zeigt, die ganz anders sind als man es bei einem JRPG erwarten würde. Bei Itoi habe ich zudem den Eindruck, dass für ihn tatsächlich nicht der kommerzielle Erfolg eines Produktes die Ausgangsbasis war, sondern er durch Spiele wie Dragon Quest das Medium Videospiele als eine weitere Möglichkeit entdeckt hat, um seine Kreativität ausleben zu können. Ähnlich wie Itoi es zuvor mit seinen Büchern, Fernsehsendungen und als Gestalter für Werbeanzeigen getan hat. Das zeigt sich auch bei der Herangehensweise bei der Entwicklung des Spiels im Vergleich zu der professionellen Herangehensweise bei Nintendo selbst.
Je mehr Zeit vergeht, desto mehr weiß ich EarthBound als Spielerfahrung zu schätzen. EarthBound stellt ist ein Kontrast zu vielen Dingen in der Gaming Branche, die mich seit einigen Jahren zunehmend stören. Durch den kindlichen Stil und dem sympathisch-albernen Humor ist es ein wohltuender Kontrast zu vielen Spielen, die häufig auf Protagonisten und Settings setzen, die von Jungs bei Spielen eher als cool empfunden werden. Zumal das Spiel mit seiner Freude am Experimentieren für mich ein Gegenstück zu heutigen AAA-Spielen darstellt, die angesichts steigender Entwicklungskosten zunehmend an bewährten Erfolgskonzepten klammern, um möglichst keine potenziellen Käufer auf dem Massenmarkt mit Experimenten bei Stilmitteln und Spielmechaniken zu verschrecken, wodurch Spiele allerdings auch profilloser werden. EarthBound hat Momente und Mechaniken, die nicht jedem gefallen, aber allein die Tatsache, dass es sich die ganzen Dinge traut, macht das Spiel gleichzeitig so viel interessanter als einige andere Spiele auf dem Markt. Es hat dadurch auch mehr mit heutigen Indie-Spielen gemein, die nicht selten auch von EarthBound beeinflusst wurden. Das bekannteste Beispiel ist da sicherlich Undertale, das von Toby Fox entwickelt wurde, der davor an EarthBound-Mods mitgewirkt hat.
Letztlich ist EarthBound für mich vor allem ein Spiel mit Herz und Charakter. Ich entdecke in dem Spiel eine kindliche Begeisterungsfähigkeit für simple Dinge im Leben, das aber hinter all dem absurden Humor und skurrilen Momenten noch eine gewisse Warmherzigkeit aufweist. Mich erinnert EarthBound dadurch auch an ein Zitat von Shigeru Miyamoto: „I think that inside every adult is the heart of a child. We just gradually convince ourselves that we have to act more like adults.“ Vielleicht liegt ein Grund für die große Beliebtheit von EarthBound als Kultspiel auch darin, dass es Itoi mit EarthBound bei manchen Personen gelingt, dieses Kind in einem auf besondere Weise anzusprechen.