Ich lese mich gerade etwas genauer darin ein, wie Spiele früher getestet wurden und wie QA da stattfand - welche Mechanismen es da gab.
Infocom war ja eine der wenigen Firmen, die in den 80ern bereits strukturiertes Testing und dedizierte Tester für ihre Titel hatten - das wird ja auch in der SF-Folge 102 zu Sherlock Holmes schön rausgearbeitet - inklusive O-Ton Bob Bates.
Ist irgendwo überliefert (ein Interview, oder ein Aufschrieb), wie Infocom das generell gemacht hat? Meine Recherche hat bisher noch nicht soooo viel ergeben. Vielleicht hat jemand einen Link, Blog, oder Youtube-Videolink zur Hand.
Auf archive.org sind vor ein paar Jahren mal hunderte von Seiten aus internen Infocom Firmendokumenten veröffentlich worden. Keine Ahnung, ob da jetzt auch was zum Thema QA dabei ist, aber ein Blick drauf ist ja vielleicht auch so ganz interessant
Amy Briggs, die Autorin von Plundered Hearts, hat als Playtester bei Infocom angefangen und dort viele Stunden Spiele getestet. Ich meine, das war ein Interview zu Get Lamp. Habe es nicht mehr on Detail im Kopf. Es gibt da diverse Interviews zu dieser Doku bei Youtube und Archive. org.
Unter anderem in diesem Interview mit Stay Forever hat Steve Meretzky erwähnt, wie er zur Firma gekommen ist: Er war der WG-Genosse des ersten Infocom-Testers Mike Dornbrook - und der hat zuhause vor sich hingetestet. Ich nehme an, dass es später professioneller zuging, aber dazu weiß ich leider auch nichts.
Naja, „professionell“ ist da relativ. Du willst ja möglichst viele Tester in möglichst realer Situation, insofern ist Arbeiten zuhause/freelance da ja erstmal sinnvoll. Professionell arbeiten ist ja erstmal, mit den gegebenen Resourcen ein strukturiertes System aufzubauen.
Ich glaube eh, da entsteht ein falscher Eindruck: in den 80ern war Home Office in der IT schon relativ üblich, wenn es die Aufgabe zulies. Computer waren doch schon ein (relativ) rares Gut und Leute, die kompetent damit umgehen konnten, noch mehr. (Quelle: ich, mein erster Rechner war der Home-Office PC-XT meiner Mutter und sie hatte da eine ganze Clique und Einblicke. Auch für die waren die 90er von der ersten Runde „Return to Office“ geprägt.)
Die logistische Meisterleistung ist halt, dass man keine Datenübertragung hat, also - wie funktioniert das Versionsmanagement und das teilen der Bug-Informationen?Ich fände das auch super spannend.
Gerade bei so Rätselspielen will man ja auch oft genug frische Tester, die das Spiel und die enthaltenen Rätsel noch nicht kennen. Zumindest wenn auch getestet werden soll, wie schwierig die Rätsel tatsächlich sind. Playtesting für so Adventurespiele und generell Puzzlespiele stell ich mir sehr schwierig vor. Auch heute mit aktueller Technik glaubich nicht so leicht zu machen.
Da wurde genau das mal angesprochen. Da erwähnt er auch, dass seiner Meinung nach Spellforce zu schwer gebalanced war, weil die QA das Spiel halt einfach schon in- und auswendig kannte und das Produktmanagement sich von denen hat überzeugen lassen, dass das Ding zu leicht ist.
Was heutzutage halt einfacher ist, ist das vorhalten eines Pools an Leuten und dynamische Arbeitzuweisung. Das Produkt ist allerdings parallel komplexer geworden…
Klar, deshalb ja „professioneller“. Meretzky hatte angeblich keine Lust auf solche Spiele, aber dann hat Dornbrook gemerkt, dass sein WG-Genosse in Dornbrooks Abwesenheit offensichtlich immer wieder das Spiel gestartet hat. So etwas würde wohl auch heute nicht mehr gehen, oder? Dass ein Fremder Zugriff auf ein noch nicht veröffentlichtes Spiel bekommt?
Zur logistischen Meisterleistung allerdings: Ja, das wäre echt interessant.
Vielen Dank! Ich hab’ mich ein bisschen durchgewühlt. Es ist zumindest rauszulesen, dass es selbst 1983(!) schon externe Tester gab, die die Test-Sheets ausgefüllt und per Fax zurückgeschickt haben müssen. Aus den Projektplänen geht auch hervor, dass strukturierte Testphasen für die verschiedenen Milestones, Alpha, Beta, Gamma, eingeplant wurden.
Sowas würde heute nicht mehr gehen. Da unterschreibst du eine (zeitlich begrenzte) NDA, dass du Geheimhaltung wahrst und das Spiel nicht weitergibst und auch sonst nicht auf öffentlichen Kanälen vorab darüber berichtest.
Ich denke, dass das damals nicht sooooo wild war, wenn ein WG-Kollege oder Friends&Family von der Beta-Version erfahren haben:
weil der Hersteller die Daten auf dem Postweg verschicken musste, und man da bezüglich Vertraulichkeit auf dem Postweg sowieso Eingeständnisse machen musste
Spiele weiterhin „special interest“ waren und das Generalinteresse an unfertigen Spielen nicht sooo gross war. Dass jemand versteht, was er/sie da sieht und Informationen teilt, war also gering.
selbst bei einem Leak sind die Verbreitungswege schwierig - und wem würdest du es auch Leaken wollen? Andere, vereinzelte Spieler? Die würden sogar noch beim Testen mithelfen, was dir wieder hilft. Spielemagazinen und der Presse? Die Chance, dass die eine Vorabversion schon gesehen haben, ist hoch - zumal die Spielepresse zu der Zeit noch viel mehr ein Marketingvehikel war als heute. Den Mitbewerbern? Ich vermute, dass die Innovationszeiten/Entwicklungszyklen zu lang sind, um da wirklich einen Impact zu machen, wenn das Beta-Spiel geleakt würde.
Ja, daran reibe ich mich. Ist vielleicht etwas spitzfindig, aber in der Zeit war Zugriffskontrolle auf Rechnern halt einfach in der generellen Industrie kein Ding und selten ein Problem. Raubkopien waren eins, aber warum mit ner frühen Version rumärgern, wenn ich ne Release-Variante später genauso einfach kriege? Später wurde das zum Problem, bis zu dem Punkt, wo heute die Infrastruktur von Spieleherstellern gerne mal gehackt wird.
Ich hab solche Diskussionen in der Software häufig, dass der Stand der Organisationen von damals als irgendwie geringerwertig angesehen wird. Dabei denke ich, dass der Skill gerade darin lag, mit begrenzten Ressourcen die richtigen Probleme effektiv anzugehen. Insofern find ich den Vergleich da schwierig, denn offenbar hatten Infocom damals eine effektive und strukturierte QA, wo viele andere sie noch nicht hatten. Nur ist halt „professionelle QA (1985)“ halt ein ganz anderer Schnack als „professionelle QA (2025)“. Das hat aber weniger mit „es gibt mehr zu tun“ zu tun sondern „es gibt anderes zu tun“. z.B. würden Leute aus 1985 lachen, wenn sich Programmierer von heute über Platformdiversität auslassen. (Im übrigen ein anderer Punkt, in dem Infocom mit ZIL und Z-Machine viel Weitsicht bewiesen hat.)
Case in Point:
Ui, das hätte ich gerne mal in so manchem Startup von 2025 .
Die Konzepte heute sind vermutlich etwas anders - damals hat man das halt noch eher im Wasserfallmodell durchgeplant und dann die drei Phasen der Entwicklung definiert, Testing reingehängt und dann nach drei Iterationen oder drei Entwicklungswellen das fertige Ergebnis verkauft - oder eben nochmal „Crunch“ eingelegt.
So ab Mitte 90er wurde es dann mit Testing etwas ernster, grade Ensemble Studios/Bruce Shelley für Age of Empires oder Blizzard für Diablo (2) haben da mit „Designing by Playing“ kontinuierliche Testzyklen etabliert, Testing mit/durch das Team als wöchentliche Aktivität vorausgesetzt, mit denen dann auch nicht nur funktionell, sondern auch ganzheitlich auf Spielspaß und Balancing hin getestet wurde. Und danach Crunch.