Zehn Jahre Klüger - April 2010

Ich habe per Zufall nochmal diese alte Folge gehört und mich ganz schön aufgerieben an dem Segment zu Können Spiele Kunst sein.
Und deshalb möchte ich doch gerne ein paar Anmerkungen los werden.

  1. Ich denke nicht, dass der Kunstbegriff subjektiv ist. Vorausgesetzt man hat sich mit Kunst auseinandergesetzt wird das doch sehr Konsensfähig. Das heißt allerdings nicht, dass es einfach zu definieren ist…

  2. Ich bin immer wieder „fasziniert“ wie wenig doch der Blick über den Tellerand reicht. Ich habe jetzt nicht im Detail recherchiert, aber aus den Positionen von Ebert als auch von Moriaty wird deutlich, dass sie sich quasi null mit zeitgenössischer Kunst auseinandergesetzt haben.

  3. zu behaupten ein Medium kann keine Kunst sein ist so eine Hybris. Wir sind hier immerhin ein ganzes Stück nach Andy Warhol… es verdeutlicht nur nochmal Punkt zwei.
    Edit: vor allem auch Jahrzehnte nach Beuys!

  4. Interaktivität ist in vielen Kunstwerken notwendig. Das Werk von Jeppe Hein ist großteils interaktiv - was ist mit den one Minute Sculptures von Erwin Wurm?!

Ich habe mal darüber nachgedacht und kam zu dem Schluss, dass diese ganze Sind-Spiele-Kunst-Debatte für mich keinen Sinn ergibt, und zwar aus dem folgenden Grund:

Für mich ist Kunst kein Attribut von bestimmten Medien, sondern die Fähigkeit, durch handwerkliche Aktivitäten beim Betrachter oder Zuhörer Emotionen auszulösen und ihren Horizont zu erweitern. Welche Disziplinen diesen Aktivitäten zugrunde liegen ist völlig irrelevant. Ein Musikstück ist dann ein Kunstwerk, wenn es Emotionen auslösen und neue Sichtweisen aufzeigen kann. Schafft es das nicht, ist es eben kein Kunstwerk. Dasselbe gilt für Bücher, Filme und was auch immer Künstler sonst als Grundlage für ihre Werke verwenden.

Die Aussage: „Spiele sind Kunst“ ist für mich genauso sinnfrei wie z.B. der Satz: „Brasilianer sind Fussball“. Fussball ist ein Sport, keine Verallgemeinerung einer Menschengruppe. Es gibt Brasilianer, die keine Fussballspieler sind, und es gibt Nicht-Brasilianer, die Fussball spielen. Auch für Spiele heißt es dann: Manche sind eben Kunstwerke und manche nicht.

Allerdings erhebe ich keinen Anspruch auf die Korrektheit dieser Sichtweise, da ich mir die Definition des Kunstbegriffs einfach selbst zurechtgelegt habe. :slight_smile:

Handwerklich würde ich streichen, aber klar ist es Unsinn Medienarten kategorisch das Stempel Kunst zu geben. Die Frage war aber ob Spiele Kunst sein können.

Wikipedia sagt zu Kunst: „…Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind…Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines Prozesses. Das Kunstwerk steht meist am Ende dieses Prozesses, kann aber auch der Prozess bzw. das Verfahren selbst sein. So wie die Kunst im gesamten ist das Kunstwerk selbst gekennzeichnet durch das Zusammenwirken von Inhalt und Form…“

Spiele sind Kunst, da sie neben technischen Fertigkeiten, auch kreative Fähigkeiten und Prozesse auf mehreren Ebenen erfordern. Es erfordert eine visuelle künstlerische Begabung ein visuell ansprechendes Spiel umzusetzen. Weiterhin sind emotionale Anteile enthalten, wie z.B. eine Botschaft oder eine Geschichte die auf einer anderen Ebene eine kreative Begabung erfordern. Weiterhin wird in Spielen fast nie die Realität, sondern eine angepasste Version derselben erzeugt.

Spiele sind aus meiner Sicht immer Kunst, sie erfordern mehrdimensionale Kreativität, sind einzigartig, haben keinen direkten Nutzen und bilden die Realität nicht ab.

Ich würde grundsätzlich nie auf die Idee kommen bei solchen Dingen Wikipedia heranzuziehen…

Kunst erfordert zwar Kreativität, aber nicht alles, was Kreativität erfordert ist Kunst; es gibt nicht umsonst die Abtrennung von Kunsthandwerk und Design.

Ich wollte aber eigentlich diese Diskussion gar nicht aufmachen. Gunnar hat das an diversen Stellen mit der Frage konfrontiert, schön zusammengefasst, dass Spiele Kulturgut sind.
Mir ging es darum nochmal festzustellen, getriggert von besagter Folge, wie schlecht die Debatte geführt wurde. Nämlich nie aus der Kunst heraus, sondern immer von einem bürgerlichen Kanondenken her.