Der folgende Post enthält keine Spoiler!
Hallo, liebe Stay Forever-Community!
Ich wollte diesen „Artikel“ eigentlich schon länger mal schreiben, weil das Thema immer wieder auftaucht, aber gefühlt nie differenziert behandelt wird. Und deswegen dachte ich, entwerfe ich doch einfach mal eine Art Leitfaden, an dem man sich orientieren kann, sowohl in der Position einer potenziell spoilenden als auch Spoiler fürchtenden Person, damit am Ende alle was davon haben und niemand in der Auslebung seiner Medienleidenschaft beeinträchtigt wird.
Ich habe im Folgenden einige Punkte aufgezählt, die vielleicht als Merksätze dienen können und sie den beiden Parteien zugeordnet, welche ich „Die Spoilenden“ und „Die Heulenden“ (bitte, nicht zu ernst nehmen) genannt habe.
Da ich aber natürlich auch nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen habe und klar auch falsch liegen bzw. Aspekte vergessen könnte, soll das hier keine ultimative Auflistung sein, sondern selbstredend eine Anregung für Diskurs, Ergänzungen und konstruktive Kritik. Hauptsache friedlich und schlussendlich für alle nützlich.
Die Spoilenden
Damit sind natürlich erstmal grundsätzlich alle Personen gemeint, die potenziell interessierte Mitmenschen irgendwelche Werke verderben könnten. Ganz besonders schiele ich hier aber auf all diejenigen, die das Berichten über Medien bzw. mediale Werke ihren Beruf nennen.
Was mir in der Hinsicht nämlich schon oft aufgefallen ist, dass sich hier aus einer privilegierten Position heraus, eine gewisse Arroganz abzeichnet, mit der etwaiges Spoilern gerechtfertigt wird. Sie haben einen leichteren Zugang zu den Produkten und der bloße Konsum ist teilweise in die Arbeitszeit integriert. Das sorgt von vorneherein für mehr Aktualität und mehr Zeit, wo Andere mitunter selbst ihre am heißesten ersehnten Titel aus unterschiedlichsten Gründen aufschieben müssen.
Hier also meine Leitsätze für diese Fraktion:
1. Es ist IMMER möglich, vor Spoilern zu warnen, das gilt auch und besonders in Podcasts und Videos. Kündigt das an oder markiert es entsprechend! Und zwar so, dass man auch genug Zeit zum Ausweichen hat. Das ist ein Mindestmaß an Arbeit und Verantwortung, die man eurem Berufsbild abverlangen kann. Spoiler können in der Vorbereitung auf ihre Notwendigkeit und die Art wie sie am besten zu integrieren sind abgewogen werden. Versteht das einfach als einen Aspekt einer professionellen Arbeitsweise. Denn genau das ist es.
2. Das Alter des Werkes spielt keine Rolle! Vor allem wird auch gerne mal ein eigentlich super kurzer Zeitraum von zwei Jahren oder so genannt. Und ja klar, kann man davon ausgehen, dass einige spektakuläre Twists bereits ins kollektive Popkulturgedächtnis gebrannt sind. Ich denke da an die große Offenbarung in „Das Imperium schlägt zurück“ oder die niederschmetternde Erkenntnis am Ende von „Planet der Affen“, welche dummerweise bereits auf den Titelbildern moderner Neuveröffentlichungen vorweggenommen wird. Tut aber nichts zur Sache. Vor allem in einem Metier, in dem Nostalgie und das Abfeiern von alten Titeln einen nicht unwichtigen Teil ausmachen und gerne von den Rezipienten erwartet wird, diese Begeisterung auch heute noch nachzuvollziehen.
3. Auch wenn über die Fortsetzung gesprochen wird - ich denke an Previews - ist es nicht angebracht vorauszusetzen, der oder die Vorgänger wären bereits in allen Facetten bekannt. Das Interesse am Nachfolger kann unabhängig davon da sein. Manchmal sind es auch erst Sequels, die es besonders lohnenswert machen, in eine Reihe einzusteigen. Oder man hat, im Falle eines längeren Projektes wie einem Spiel oder einem Buch, den Vorgänger gerade angefangen, weil man ohnehin im Hype-Zug für das neue Spiel ist.
4. Dass interessante Dinge locker gespoilert werden können, nur weil sie in den ersten Minuten passieren, ist auch ein Irrglaube. Wenn überhaupt, spricht das wohl eher dafür, darauf zu verzichten, sie zu erwähnen. Klar möchte man oft eine Einführung geben, worum es überhaupt geht. Irgendwo muss man ja auch das Interesse erst wecken. Manchmal kann man dabei die Leser-/Hörer- oder Zuschauerschaft jedoch auch um ein cooles Aha-Erlebnis bringen, das vorwegzunehmen sie nicht zusätzlich informiert oder anreizt, weil es dann eben nicht mehr wirkt. Ein Beispiel wäre etwa der Anfang von „Fallout 3“ im Bezug auf die Charaktererstellung. Wer das kennt, wird wissen was ich meine. Das ist eine witzige Idee, die aber letztlich keine weitere Relevanz für den Rest des Spiels hat. Viele Tests haben das aber munter ausgeplaudert, was den Witz direkt verpuffen lässt, sobald man selbst Hand anlegt.
5. Ähnliches gilt für das illegitime Argument „Das war schon im Trailer zu sehen“. Betrifft sicher hauptsächlich Filme. In meinen Augen, eine absurde Rechtfertigung, da gerade innerhalb einer spezifisch informierten Community inzwischen bekannt sein sollte, dass Trailer selbst oft schon so viel vorwegnehmen, dass sie eigene Spoiler-Warnungen vorschalten müssten. Nicht alle, natürlich. Doch ich vermute, das ist für nicht wenige ein Grund, auch auf Trailer zu verzichten, anststatt eine Rechtfertigung dafür frei herauszupusten was man eigenständig als massiven Spoiler identifizieren kann.
6. Achtet auf visuelle Unvermeidbarkeit. Ich denke dabei an einen älteren Artikel aus der M!Games in dem die 100 beeindruckendsten Momente der letzten Konsolengeneration (zu der Zeit Wii/360/PS3) oder so gefeiert wurden. Einige davon bezogen sich natürlich auf das Ende eines Spiels und waren mit passendem Screenshot versehen. Diese waren manchmal so eindeutig und selbst beim Überfliegen/Durchblättern nicht zu übersehen, dass, selbst wenn unerwartet am Ende doch gar nicht eintrat was das Bild suggerierte, kein weitestgehend unbefangenes Erleben des Titels mehr möglich war.
7. Eindeutige Suggestionen sind auch Spoiler. Das ist vielleicht etwas spezifisch und taucht weniger oft auf. Doch manchmal kommt es vor, dass Dinge zur Handlung überhaupt erst auf den Tisch gebracht werden, mit denen man von vorneherein vielleicht gar nicht gerechnet hätte, gefolgt von der pseudo-relativierenden Anmerkung, dass man das aber jetzt offen lässt. Eines meiner in dieser Hinsicht prägendesten Beispiele war vor schon einigen Jahren ein Test-Bericht (vielleicht auch eine Preview) in einem großen deutschen Spiele-Magazin, in dem erklärt wird, dass der Protagonist eines Spiels zwischen zwei Parteien steht, um dann anzuschließen „Oder gibt es vielleicht noch eine dritte Partei? Das verraten wir hier nicht.“ Ja, hmm, diese Möglichkeit wird ja nun nicht aus dem Nichts kommen. Das Auftauchen einer dritten Partei sollte also wohl niemanden mehr überraschen.
8. Und schlussendlich, l****asst dumme Vergleiche! „Überraschung! Die Titanic geht am Ende unter.“ Sowas ist einfach arrogant und dumm. Mal ganz abgesehen davon, dass das natürlich nicht der Hauptspoiler in „Titanic“ wäre, kann man wohl davon ausgehen, dass in überraschend vielen Geschichten, der Ausgang wenig überraschend ausfällt, sondern überwiegend oft der Weg dorthin den eigentlichen Reiz ausmacht.
Komme wir zur Empfängerseite:
Die Heulenden
1. Entspannt euch mal! Wir alle haben vermutlich eine große Leidenschaft für Geschichten und mediale Erlebnisse. Einige sind vielleicht auch tiefer emotional involviert. Doch nichts davon ist wirklich lebenswichtig, gerade wenn es sich um Einzelfälle handelt. Die nächste Alternative für Spaß und die Erfüllung der zugehörigen Bedürfnisse ist vermutlich nicht weit weg. Damit einher geht…
2. Die meisten Bücher, Filme, Spiele, Comics, Serie usw. haben viel viel mehr zu bieten als nur den einen Plottwist, das eine Bild oder was auch immer gerade vorweggenommen wurde. Nicht umsonst konsumieren wir sie wiederholt, selbst wenn wir sie eigentlich schon in ihrer Gänze erlebt haben.
3. Ihr seid auch selbst verantwortlich! Man kann Menschen nicht das Recht auf allumfassenden Diskurs absprechen, wenn man genauso gut auch gehen kann. Dabei hilft ein gutes Maß an Medienkompetenz. Wer nicht gespoilert werden möchte, sollte vielleicht auch mediale Stellen vermeiden, wo Spoiler zeitnah und/oder weitreichend zu erwarten sind - Memes im Internet, Trailer, Analysen, Retrospektiven usw… Das ist nicht immer leicht, aber in den allermeisten Fällen möglich.
4. Je weniger Gewicht man einem Spoiler zumisst und je beiläufiger man ihn wahrnimmt, sprich keine große Nummer draus macht, desto wahrscheinlicher ist es, dass man ihn vielleicht sogar wieder vergisst, wenn etwas Zeit ins Land streicht. Das ist sicher etwas schwammig, mit Tendenz zu Stammtischpsychologie. Meine Erfahrung hat mir aber gezeigt, dass das durchaus funktionieren kann.
5. Ein gewisses Maß an Spoilern kann auch die Begeisterung für ein Werk erst wecken bzw. die Erwartungen in die Rechten Bahnen lenken. Das ist ein Balanceakt, der eher bei den oben genannten berichtenden Medien liegt. Dennoch ist wichtig in dieser Hinsicht wieder ein gewisses Vertrauen darin zu entwickeln, weil die ganzen kollateralen Aspekte (Previews, Tests, Community-Austausch, Insiderhumor etc.) ja nicht erst seit heute einen großen Teil der Leidenschaft für die entsprechenden Hobbies mittragen.
Das ist erstmal alles was mir dazu einfällt. Ich hoffe, es war hilfreich.
Was sagt ihr? Kritik? Ergänzungen?