Eine schöne Folge – vielen Dank dafür, aber die kurze Laufzeit hatte mich etwas überrascht. Wenn man Cheaten so weit fasst, wie es getan wurde, nämlich als Schummeln bis hin zur Nutzung von Drittanbietermodulen und Programmen zur Speichermanipulation, dann fehlen mir da noch einige Methoden, wobei auch meine Liste mit Ergänzungen jetzt nicht vollständig ist. Außerdem könnte man den einen oder anderen Cheat noch etwas mehr in den zeitlichen Kontext setzen.
Beispiel Sega Mastersystem: Damals wurden viele Arcade-Spiele portiert und die Mentalität der 80er, dass das Spiel den Spieler möglichst quälen soll, war noch weit verbreitet. Das fiel auch Sega auf, so dass ganz offizielle Cheat-Hardware angeboten wurde. Im Marketing war es natürlich kein Cheat, technisch gesehen hat die Rapid-Fire-Unit aber nichts anderes gemacht, als Tastenhämmern durch eine schnelle Autoschussfolge zu ersetzen. Damit wurden verschiedene Spiele deutlich leichter.
Eine zweite Methode von Sega, um Kunden zufriedenzustellen und ihnen die Nutzung von mehr als einem oder zwei Leveln in einigen Spielen zu ermöglichen, war ein offiziell beworbener Cheatguide in Buchform (inklusive Komplettlösungen, Passwortlisten für spätere Level oder eben Cheatcodes). Cheats waren damals nicht unbedingt nur ein Gimmick oder eine Belohnung für ganz aufmerksame, sondern auch eine Methode, um Kunden Teile des Spiels überhaupt erst zugänglich zu machen.
Kurz angekratzt, aber nicht wirklich ausgeführt, wurde das Ausnutzen von Designschwächen. Enduro Racer ist ein Rennspiel von Sega, in dem man mit einem Cross-Motorrad in einer Iso-Ansicht von links unten nach rechts oben fährt und dabei Hindernissen ausweichen muss, etwa indem man über Rampen springt. Rampen kosten Zeit, Hindernisse noch mehr. Ist der Timer abgelaufen, endet das Spiel. Man muss also schnell genug sein, um 10 Level zu schaffen. Das Problem: In zwei Leveln muss man an jeweils zwei Stellen über einen Fluss springen, ansonsten gibt es eine bestimmte Position, auf der man fast durch das gesamte Level fahren kann, ohne Steuern zu müssen, wobei man (fast) allen Hindernissen und Rampen ausweichen kann. Es ist kein Cheatcode notwendig, kein Hack des Speichers, nur das Einnehmen einer Gewinn-Position.
Ebenfalls nur kurz erwähnt wurden Hex-Editoren. Damit konnte man nicht nur Handbuchabfragen entschärfen (etwa bei Ufo – Enemy unknown), wo die gesuchten Worte im Klartext in der EXE-Datei standen und ersetzt werden konnten, sondern auch Werte in Spielständen konnten ersetzt werden. Spielte man lang genug mit denselben Soldaten, waren diese so gut, dass die Werte von 255 auf 256 erhöht wurde, wobei es zu einem Überlauf der Byte-Variablen kam und die Werte auf 0 fielen. Plötzlich konnte ein Supersoldat auch ohne Ausrüstung nicht mehr aus dem Raumschiff herauslaufen, das Spiel war gestoppt. Hier musste gecheatet werden, um das Spiel zu retten.
Hex-Editoren waren außerdem ein Mittel, um die MIA/KIA-Problematik zu beheben. Missing in Action bzw. Killed in Action waren ja oft der Missionsoutcome bei Simulationen wie Gunship 2000 oder Strike Eagle 3. Die Editoren haben es ermöglicht, das entsprechende Byte zu ändern, so dass die Pilotenkarriere nicht mit einem Permadeath endete.
Es gab noch einen anderen Workaround und da kommt dann noch eine Methode, die so üblich war, dass Spiele in falscher Erinnerung verharren. Das müsste man noch zu Fabians Aussage ergänzen, dass es kein Problem sei, im Singleplayer-Game zu cheaten. Das will ich nicht anzweifeln, aber am Ende hat das eine ganze Generation von Spielern verklärt.
Auftritt X-Wing und TIE-Fighter. Die beiden Übersimulation von Lucas Arts hatten einen so elementaren Designfehler, dass ihn jeder umgangen hat. Das wurde so konsequent gemacht, dass die Spiele falsch in Erinnerung geblieben sind. Diese spielerischen Meilensteine haben nämlich nicht nur jeweils 50 Missionen, von denen einige knüppelschwer sind. Sie kombinieren diese echt harten Aufgaben auch mit einem brutalen Permadeath. Wer scheitert, kommt in die KIA-Hölle, worauf ein neuer Pilot erstellt werden muss, der schön am Anfang neu startet. Das ließ sich natürlich leicht umgehen, indem die Roster-Datei kopiert und umbenannt wurde, so dass man nach jeder gescheiterten Mission das Spiel beendet, die Backupdatei zurückkopiert und das Spiel neu gestartet hat, bzw. nach jeder gelungenen Mission das Spiel beendet hat, um die veränderte Pilotendatei zu speichern, aber das ist Cheaten in Reinkultur. (Alternativ wurde kurz vorm finalen Abschuss mit Reset der PC neu gestartet.) Das wurde so konsequent und selbstverständlich gemacht, dass man wohl behaupten kann, so gut wie niemand hätte diese beiden Kultspiele wirklich einmal im Sinne des Gamedesigners durchgespielt. Jeder, mit dem ich mich damals ausgetauscht habe, hat sich um den Permadeath herumgemogelt. Schlimm? Nein! Aber ohne Cheaten wären diese beiden Spiele bei Weitem nicht so euphorisch rückbetrachtet, wie es heute der Fall ist.
Sollte es also einen zweiten Teil zur Historie des Cheatens geben, könnte man diesen problemlos mit HEX-Editoren, Treibermanipulationen, Datei-Backups, von Herstellern angebotenen Hardware-Cheats (es gab auch offizielle Gamepads mit Dauerfeuerfunktionen) oder Ausnutzungen von Designschwächen füllen. Und da gibt es sicherlich noch einiges mehr.