Intellektuelle Spiele

Untold Stories ist mMn nach ein emotionaler Ritt, der nicht einfach mit Bildgewalt Emotionen auslöst.
Hier ist schon etwas Intellekt gefragt um sowohl die einzelnen Situation selbst zu erfassen als auch die Zusammenhänge die zum Finale führen.

Florence mag man vielleicht nicht gerade als intellektuelles Spiel ansehen. Wenigstens erzählt es auch eine Liebesgeschichte mehr über Details durch Interaktion als mit roher Bildgewalt.
Aus dem Spiel kann man auch es fürs Leben lernen.

Digitale Spiele sind noch vergleichsweise jung und arbeiten sich gerade noch teils an ihren Kinderkrankheiten ab und auch in der Literatur gibt es viel Schrott :person_shrugging:
Es wird noch (mehr) kommen, wahrscheinlich kaum im Mainstream (war es bei Büchern und Filmen auch kaum).

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Ich war letztendlich nach all des Lobes irgendwie enttäuscht. Liegt aber auch daran, das ich es nicht mag, wenn eine Wendung ohne Ankündigung eintrifft. Für mich wirkt das immer billig und Ideenlos.

Ich sehe es nicht als große Kunst an, eine Geschichte zu erzählen und plötzlich ohne Vorwarnung und ohne Anzeichen die Richtung zu ändern. Macht alles vorhergehendes sinnlos.

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Guter Punkt, das mit dem jungen Alter des Mediums. Zusätzlich finde ich, dass sich bestimmte interaktive Erfahrungen vom Begriff „Spiel“ emanzipieren sollten.

Ein Spiel assoziiere ich mit Wettbewerb oder Spielzeug. Tiefgründige Werke wie „The Beginner’s Guide“ oder „Dear Esther“ haben bis auf die grundlegende Interaktion nichts mit dem Spielen zu tun. Es sind eben interaktive Erfahrungen.

Ich finde es zum Beispiel geschickt, wie Text-Adventures sich mittlerweile als „Interactive Fiction“ bezeichnen und nicht mehr und nicht weniger als eine Weiterentwicklung der Literatur verstehen.

Ach … schon allein Spiel und spielen ist als Wortstamm sehr überladen.
Theater spielen, Spielplatz, spielerisch …

Sicher gilt es unterschiedliche Konzepte von Interaktivität zu unterscheiden.
Wegen der Überladung halte ich gerade Spiel (und wenn wir genau sein wollen Videospiel) eher für ungeeignet um einheitlich eine bestimmte Untermenge zu bezeichnen.
Im Alltag wird man sicher oft (Video-)Spiel sagen, aber eine Untermenge meinen. Dann sollte man abklären welche man meint.

Für mich ist Spiel daher auch keine Qualitätskennzeichen

Bist du dir sicher, dass man Text-Adventures als exklusive Weiterentwicklung der Literatur bezeichnen kann?
Sind sie nicht viel eher eine Verschmelzung beider Medien?
Vor dem Hintergrund deines Verständnis von Spiel verstehe ich es. Sie kommen aus einer anderen Richtung als „klassische“ Videospiele wie Shooter, RTS, Action etc.
Interaktiv sind auch sie.
Und alles interaktive ist auch Spiel, wenn man es weiter fast.:grin:

Da zeigt sich, dass die Spieltheorie noch nicht so weit fortgeschritten ist, bzw. Noch nicht so im. Mainstream. Zu Fragen wäre, ob die Assoziation von Spiel mit Wettbewerb nicht vor allem eine westlich geprägte ist.

Die Diskussion ist halt eigentlich nur fühlbar, wenn man sich ins Thema eingearbeitet hat - das merkt man beispielsweise am oft unterirdischen Niveau der Kunstdebatte - wenn es oft schon daran scheitert Kunst von Kultur zu trennen.

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Naja, dass Interactive Fiction sich als Weiterentwicklung der Literatur betrachtet ist natürlich bloß meine Interpretation. Ich leite es daraus ab, dass das Tooling zum Schreiben von Interactive Fiction eher auf Autoren als auf Softwareentwickler abzielt und dass die Werke in diesem Genre absichtlich auf jegliche Technik abseits von Text verzichten. Früher war es ja notwendig, weil Computer nicht stark genug waren. Heute ist es eher ein Stilmittel.

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Ich versuche schon seit Jahren zumindest gedanklich, Spiele in den Unterricht einzubauen. Mitterweile würde ich es, ähnlich wie bei Filmen oder bei Literatur, wohl eher mit einzelnen Szenen versuchen. Das können dann Entscheidungssituationen (In Detroit Become Human, das ich nie gespielt habe, sondern von dem ich nur Videos kenne) oder Cutscenes, die ein bestimmtes Problem verhandeln, sein. Es kann aber natürlich auch die Darstellung von bspw. Camp Belica in Wolfenstein: The New Order sein, das wäre auf jeden Fall in Geschichte in der Oberstufe mittendrin in der Handlungskompetenz (also falls Du Lehrer bist, sonst vergiss das Letzte).
Unendlich viele Möglichkeiten…

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Interessanter Ansatz.

Lustigerweise wollte ich Detroit in meine Liste oben aufnehmen - aufgrund von Szenen mit offensichtlichen Parallelen zu Konzentrationslagern und Protestbewegungen im realen Leben. Habe mich dann doch dagegen entschieden, weil das restliche Spiel eher weniger tiefgründig ist. Aber ja: Ich kann mir absolut vorstellen, dass man in der Schule die KZ-Szene nachspielt und Parallelen zur Geschichte ausarbeitet.

Wobei ich ehrlicherweise denke, dass Spiele nur dann berechtigt sind, wenn auch das Medium Spiel genutzt wird- warum eine cut scene aus Modern Warfare wenn man auch eine Szene aus Black Hawk down nehmen kann?

Beispielsweise einen Abschnitt aus Amnesia spielen im zu lernen, wie es sich anfühlt ein Bettler zu sein - oder CK III um die personengebundnem Machstruckturen des Mittelalters zu erkennen. Wobei da dann oft die Zeit zum Problem wird…

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Was mich einmal interessieren würde, ob es denn Spiele gibt, die tatsächlich auf der spielmechanischen Ebene etwas tiefgründiges oder gar intellektuelles versuchen. Spontan tue ich mir da sehr schwer.

Die obigen Beispiele (soweit ich sehen konnte) sind auch eher solche, wo die narrative Komponente besonders heraussticht - sei es in Form von Text, Video, filmischen Szenen oder auch nonverbaler Erzählung wie z.B. in Journey. Die letzten 2 Level von Journey (und der Kontrast zwischen ihnen) wäre auch das einzige Beispiel, das mir selber einfällt, wo die Spielmechanik tatsächlich die „Intellektualität“ (um mal den Begriff des Threaderstellers heranzuziehen) des Spiels unterstreicht. Vielleicht noch das erste Bioshock.

Weil man zeigen möchte, wie in verschiedenen Medien verschiedene Themen verhandelt werden - es geht ohnehin immer um das wie, nicht darum zu schauen, ob irgendwetwas der historischen Realität entspricht, die, wenn sie über die nackten Fakte hinausgeht, notwendigerweise immer eine konstruierte Narration ist.

Wenn man mit einem Spiel arbeitet, dann nutzt man ja das Medium, mehr geht eigentlich nicht. Wenn Du die ganzen technischen Hintergründe oder Gameplay meinst - das kann man durchaus diskutieren, meiner Meinung nach wäre es so, wie wenn man in Deutsch einen Roman lesen würde und sich dann mit den Besonderheiten des Schreibens oder Lesens von Büchern befassen würde. Das kann man machen, das ist aber nicht das Lernziel. (Ich will Dir nicht die Worte im Mund verdrehen, Dich also nicht falsch wiedergeben.)

Das darf man eher nicht machen. Man würde bspw. nicht Wolfenstein spielen, um herauszufinden, wie es sich als polnischer Jude im Widerstand gegen den NS angefühlt hat. Dafür würde man ausschließlich mit Quellen arbeiten und darüber die Multiperspektivität herstellen. Das historische Nachempfinden könnte man vielleicht machen, um Entscheidungssituation hervorzuheben und zu zeigen, dass Geschichte so sein mag, aber potentiell auch ganz anders hätte sein können bzw. sein kann.
Nachtrag; Man würde es spielen, wie in den 2010er Jahren der NS im Medium Spiel verhandelt wird, und dann kann man durchaus moralische Urteile fällen. Auch die ganze Hakenkreuzdebatte und ob Spiele ein Kulurgut sind gehören da rein. Da würde man das Medium Spiel auf jeden Fall nutzen, vielleicht nicht so, wie Du meinst (aber besser, wie ich finde :grinning:).

The Stanley Parable ist meiner Meinung nach das beste Beispiel dafür. Die Erzählung ist hier buchstäblich der Interaktion untergeordnet. „Stanley went through the left door.“ Oder etwa nicht? In einem nicht-interaktiven Medium wäre das Erlebnis nie möglich gewesen.

Ich finde schon, dass es sehr viele Beispiele gibt, bei denen die Interaktivität erst die Tiefgründigkeit schafft. Man denke an die Folterszene in GTA V. Oder an das Drücken des rechten Triggers in Brothers. Oder an die Verschränkung von monotoner Arbeit und Fantasiewelten im Geiste eines Fließbandarbeiters bei What Remains of Edith Finch.

Aber das Potenzial ist so viel größer. Alleine durch die Tatsache, dass man in einem interaktiven Medium fremde Perspektiven annehmen kann (nicht bloß zuschauen - selbst erleben! vielleicht sogar verstehen) bietet so viele Möglichkeiten zum Erweitern des eigenen Horizonts. Da fällt mir gleich Senua’s Sacrifice ein, wo anscheinend Schizophrenie realitätsgetreu dargestellt ist. Oder Beholder, bei dem man einen widerwilligen Spitzel spielt. Oder dieses Level in Bioshock 2, in dem man die Welt aus den Augen einer Little Sister sieht

Davon hätte ich gerne viel mehr gehabt.

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Verstehe ich dich richtig, dass das interaktive Nachempfinden einer geschichtlicher Situation aus der Perspektive eines Zeitgenossen pädagogisch grundsätzlich nicht sinnvoll ist (dein Wolfenstein-Beispiel)? Oder geht es dir darum, dass Spiele in der Praxis die Geschichte nicht korrekt abbilden?

Könnte man zum Beispiel Kindom Come: Deliverance (was ja relativ realitätsnah sein soll) als interaktives Museum des Mittelalters im Unterricht nutzen oder wäre es nicht zielführend?

Finde deine Argumentation nicht so schlüssig.
Filme werden geschaut, Bücher gelesen, Spiele gespielt.
Wenn ich Spielszenen vorspiele, wird das Medium nicht so genutzt, wie es gedacht ist. Das ist ein wenig so, wie wenn ich mir Stills von einem Film anschaue - oder die Verfilmung von einem Buch.

Wenn ich aber Spiele zeige um Spiele zu zeigen obwohl dafür besser der Film geeignet wäre, dann geschieht das entweder, weil ich die SuS an ihrem Medium abholen möchte oder es geht vielleicht noch um Rezeptionsgeschichte, aber dafür ist der Raum begrenzt und eigentlich wäre auch dort das Spielen sinnvoller.

Und warum denn nicht spielen lassen?
Es geht doch um die Konfrontation um die Auseinandersetzung mit einem Thema. Aus heutiger Sicht fällt es ungemein leicht, sich einzureden man selbst hätte im NS Reich Widerstand geleistet - ein Spiel kann die SuS eigene Entscheidungen treffen lassen, sie mit Zwängen und Nöten konfrontieren und auf einmal stellt sich heraus, in der Spielumgebung wären sie Mittäter gewesen. Natürlich muss so etwas gut begleitet werden und mit entsprechenden Materialien unterfüttert werden, aber es ist ein großes Potential nicht nur einen besseren Zugang zu finden, sondern auch ein besseres Verständnis für die Zeit, weil man ihr unmittelbarer ausgesetzt ist.
Rollenspiele sind auch ein anerkanntes Mittel.

Zum Faktischen:
Das ist durchaus schwierig. Geschichtsschreibung ist zum allergrößten Teil Interpretation und sie ist nie objektiv; man vergisst das immer schnell.
Zum anderen finden sich aber in jedem Lehrbuch haufenweise fachliche Fehler und überholte Texte…

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Um vielleicht noch einmal anders gerade zu gehen…

Warum möchtest du Spiele zeigen?

Ich bin der Meinung, dass jedes Medium durchaus seinen Beitrag zum Geschichtsbewusstsein bzw. zum Geschichtsverständnis leisten kann… Jedes Medium hat stärken und Schwächen - und natürlich gibt es Vertreter, die man besser gleich außen vor lässt (=> Wolfenstein). Aufgabe de as Geschichtsunterrichts ist es die SuS zu ermächtigen, das Medium dann auch kritisch zu hinterfragen und einordnen zu können.
Bspw. ist auch der Film „Im Westen nichts Neues“ voller Fehler und Verzerrungen - aber ich bin dennoch überzeugt, dass er einen wichtigen Beitrag leisten kann ein besseres Verständnis für die Zeit zu erlangen.

Wenn du sagst, die SuS dürfen Geschichte nur über Primärquellen und Sekundärliteratur begreifen, ist das auch ein legitimer Ansatz - aber warum dann Überhaupt Spiele in den Unterricht einbinden wollen?
Und, dass darf man eben nicht vergessen, wenn man sich nur auf Quellen beschränkt wird auch nicht unbedingt das Geschichtsverständnis richtiger. Der 1. Weltkrieg fand nicht nur in Textquellen statt und war nicht schwarz weiß.

P.S. : … und schauen wir auf einen Großteil der Quellen zur Antike, dann sind sie bei genauerer Betrachtung auch nicht vertrauenswürdiger als im Westen nichts neues; vielleicht sogar als Wolfenstein.

P.P.S.: Die Weißen Marmorstatuen haben uns auch immer als Verlässliche Quelle gedient und Generationen von Archäologen haben von einer Antike in Weiß gedacht - bis man herausgefunden hat, dass sie bunt waren.

Man will das ja nicht ausufern lassen und ich bin höchstwahrscheinlich nicht der einizige Lehrer hier und andere sehen das vielleicht auch anders, aber ich versuch es mal anders und aus meiner Egoperspektive darzustellen (auch wenn die Deutschen lieber das „man“ verwenden, weil es dann scheinbar objektiv sei). Ich freue mich ja über den Austausch, und, wie gesagt, das ist alles meine persönliche didaktische Perspektive, es gibt natürlich so viele Wahrheiten wie LehrerInnen! Das hat jetzt so einen Erklärton, aber mein Gott…

Wenn ich Unterricht plane, dann bin ich natürlich an meine Fächer (in meinem Fall Philosophie und Geschichte) und an den Lehrplan gebunden. In diesem Rahmen setze ich Ziele, was die SchülerInnen lernen sollen (eben Lernziele). Jetzt möchte ich der gesellschaftliche Relevanz von Spielen in meinem Unterricht gerecht werden, auch wegen des Lebensweltbezugs der SchülerInnen und der vielfach geforderten Medienkompetenz. Letzteres geht in jedem Fach, wird auch überall im Lehrplan verlangt und ist mittlerweile verpflichtender Teil der LehrerInnenausbildung (wenn jemand also Medienkompetenz als Schulfach fordert, dann ist er/sie völlig ahnungslos, echt mal).

Wie kann man also über Computerspiele philosophische bzw. historische Lernziele erreichen, denn ich glaube, dass es ursprünglich mal darum ging, zumindest habe ich das so verstanden.

Geschichte: Ich glaube, dass mein Quellenbegriff oben missverstanden wurde. Eine Primärquelle ist potentiell jeder Sachverhalt, der zu der betrachteten Zeit entstanden ist: Spielfilme, Flugblätter, Fotos, Radiosendungen, Protokolle von Fieberwahn, Fernsehapparate, Postkarten, Tagebucheinträge, Patronenhülsen, Romane, Gedichte, Traumtagebücher, Arcade-Automaten… an all diese Sachverhalte kann man historische Fragestellungen richten, und es kommen ja auch immer neue Fragestellungen dazu, je nachdem, wie sich die gesellschaftlichen Bedingungen ändern, in denen diese Fragen gestellt werden. Eine sehr lange Zeit man hat man nur Politikgeschichte geschrieben, da hat man viele Quellen vernachlässigt bzw. viele Sachverhalte gar nicht als Quelle akzeptiert, was natürlich auch heute noch so ist. Das hat sich mit der Geschichte der gesellschaftlichen Emanzipation von marginalisierten Gruppen geändert, und dann kam nicht nur die Geschichte der Frauen und „Minderheiten“, sondern damit auch die Kultur- und Sozialgeschichte auf. Denn wenn ich eine Geschichte der türkischen Migration in Deutschland schreiben möchte (und auch die migrantische Perspektive in den Blick nehmen möchte), dann reichen meine Politikquellen nicht aus, es sei denn, ich will eine Biographie von Cem Özdemir schreiben, und selbst dann wird es ohne andere Quellen ziemlich unergiebig.

Dann gibt es die Sekundärquellen oder -literatur, das ist Geschichtsschreibung, Narration, Deutung und Bewertung. Ich würde gerne bei dem Wolfenstein-Beispiel bleiben, denn wenn man das ausklammern würde, dann hätte man in der Argumentation einen ziemlich blinden Fleck (außerdem ist das so spannend, dass ich ungelogen gestern Abend noch stundenlang New Order installiert habe). New Order ist nun sowohl eine Primärquelle aus 2014 als auch eine Sekundärquelle in Form einer historischen Deutung oder Narration des Nationalsozialismus. Im ersten Fall ist es sehr, sehr ergiebig, im zweiten Fall könnte man es vielleicht als ein Artefakt der counterfactual history verwenden, aber das ist nichts für die Schule und ich finde den Ansatz auch persönlich nicht so ergiebig. Was es aber auf gar keinen Fall ist: eine Primärquelle zum NS oder den Holocaust.

An New Order als Primärquelle können die SchülerInnen sehr viel lernen über die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Sie können das sehr gut kontextualisieren durch die Debatte über die Zensur von Hakenkreuzen in Wolfenstein im Vergleich zu Indiana Jones. Sie lernen dabei zum einen sehr viel über das Kulturgut Computerspiel, als auch über die gesellschaftlichen Diskurse, in der eine Gesellschaft den NS 70 Jahre später verhandelt. Sie können auch bewerten, ob die Cutscene vorm Camp Belica mit dem Baby moralisch vertretbar ist (was ja damals ein Riesenpunkt war). Die Stiftung Digitale Spielekultur schreibt dazu:

Für die Medienkompetenz bietet sich der Shooter hervorragend an. Da die unzensierte Version nun auch als sozialadäquat eingestuft wird, kann man hier die Auswirkung von Selbstzensur zeigen. Die möglichen Verfälschungen durch Euphemismen oder Auslassungen zeigen, wie schwer es ist, Tabus wie den Holocaust in digitalen Spielen zu umgehen, und welche Gefahren hier entstehen. Außerdem ist Wolfenstein ein Beispiel für die Wirkung von Klischees.

Neben der Medienkompetenz ist deswegen auch die bewusste Darstellung des NS-Regimes ein Punkt, der hier betrachtet werden kann. Das Zeigen der Unterdrückungs- und Vernichtungspolitik hat eine große Wirkung. Die Satire kontrastiert den Themenkomplex.

Die drastischen Darstellungen müssen jedoch unbedingt kontextualisiert und pädagogisch begleitet werden. Selbst ohne Gewaltdarstellungen wird das NS-Regime bewusst mächtig dargestellt. Hier kann es sonst zur Ästhetisierung kommen. The New Order ist etwas älter und ist somit auch auf älteren Geräten oder Laptops gut spielbar.

Also, Computerspiele sind eine Form der Geschichtsschreibung, die man im Unterricht kritisch untersuchen kann (wie dieses eine Anno ohne Sklaven, glaube ich, ich habe Anno nie gespielt). Oder sie sind Primärquellen aus der Zeit, in der sie entstanden sind, und dann befragt man sie nach den aktuellen Diskursen - sehr ergiebig, sehr interessant, sehr aufwendig, sehr schön. Die Erfahrung von JüdInnen im Vernichtungslager nachzuspielen oder von Reichswehrsoldaten in Verdun fände ich ein geschmackloses und auch nicht erreichbares Lernziel - das hätte in meinem Unterricht nicht viel verloren, aber das ist meine Sicht.

Philo: In Philosophie gibt es in der Schule in der Oberstufe (also in NRW) die vier Gebiete Anthropologie, Ethik, Erkenntnisphilosophie und Staatsphilosophie. Man formuliert, initiiert durch die LehrerIn, ein eigenes philosophisches Interesse bzw. eine Fragestellung, stellt Hypothesen auf, eignet sich dazu Positionen an, vergleicht sie miteinander, wendet sie auf Sachverhalte an bzw. gleicht sie mit diesen ab und positioniert sich selbst begründet. In allen Ebenen, auf allen Gebieten kann man Computerspiele zum Einsatz bringen. Detroit Become Human zum Aufwerfen der Frage nach dem Wesen des Menschen, dem Wert künstlichen Lebens und dem daraus resultierenden Moralsystem (selbst spielbar!), der erkenntnisphilosophischen Frage, dass wenn der Abgleich eines von mir wahgenommenen Objekts (von dem ich nicht weiß, dass es ein künstliches Wesen ist) sich vollständig mit meiner Erfahrung eines Menschen deckt, ob dies dann die hinreichende Konstruktion eines Menschen in meinem Bewusstsein ist, oder ob zu der Erfahrung noch etwas dazukommen muss.
Die Folterszene in GTA wäre sehr gut geeignet, um die Position des Utilitarismus zu behandeln. Es muss allerdings (und das ist das, woran wir uns halten müssen) am Ende das Grundgesetz bzw. die Grundrechte siegen. Wir haben ein absolutes Folterverbot, und das muss man als LehrerIn/BeamteR vertreten, was mir nicht besonders schwer fällt. Ein anderes Beispiel wäre die No Russian Mission in Modern Warfare 2. Die hat ja ihre eigene Geschichte, ich glaube, dass das mal Thema bei 10 Jahre klüger war. Wenn ich diese Szenen im Unterricht spielen lassen will, dann sollte man auf jeden Fall das Zeitmanagement so weit klar haben, dass nicht die Stunde endet, während Nasrin oder Julia gerade eine vierköpfige Familie auf den Weg in den Spanienurlaub auslöscht. Ich möchte persönlich beide Spiele nicht in meinem Unterricht haben, auch wenn die SchülerInnen volljährig sind, denn wir haben zu Recht im Unterricht das Überwältigungsverbot, aber auch das ist Ansichtssache, man kann das vielleicht voher abklären.

Ich habe jetzt nicht über Deutschunterricht und Spiele als „Literatur“ (was ich wenig überraschend so sehe) gesprochen. Analyse der Geschlechterverhältnisse in Last of Us und die ganzen oben genannten Beispiele.

Unterm Strich: Alles möglich, alles spannend, alles unendlich ertragreich - auf der anderen Seite so aufwändig, dass ich persönlich seit fünf Jahren nicht dazu gekommen bin, denn es ist so gut wie nichts didaktisiert (und was ich bis jetzt gefunden habe, fand ich ein bisschen öde, aber das heißt nicht, dass es nichts Gutes gibt), und wenn das vielleicht für einmalig zwei von 25 Wochenstunden sein soll, dann steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag. Eines Tages vielleicht.

Das war’s von mir zu dem Thema, danke fürs Lesen.

Nachtrag: Da hatten sich eine Menge doppelte Absätze eingeschlichen, danke @StefanW für den Hinweis.

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Ach, noch ein halber off-topic-Nachtrag zu No Russian, weil es mir nicht aus dem Kopf geht: So lang es Spieletester gibt, die sich weigern, diesen Level zu spielen, darf man den Glauben an die Menschheit nicht verlieren.

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Das nenne ich mal einen Ausführlichen Post😅.

Ich finde den Austausch durchaus spannend - gerade weil er wichtig ist, wenn Spiele einen Wert haben sollen. Eventuell könnte man aber einen eigenen Thread aufmachen.

Du nimmst dir viel Zeit noch einmal die Grundlagen zu erklären - am Ende sind aber bei mir drei Punkte, bei denen ich anderer Meinung bin:

  1. Wenn Spiele als Medium ernst genommen werden sollen, dann muss man sie spielen lassen. Die Interaktion ist essenziell für das Medium. Klar kann man auch mal eine Sequenz vorspielen, aber gerade das eigene Erleben ist eigentlich entscheidend.
    (Und Medienkompetenz ist für mich dann bspw die Fähigkeit zu erkennen wie mich ein Spiel konditioniert, welche Darstellungskonventionen es nutzt und zu hinterfragen, warum es die Welt so aufbaut, wenn es das Spiel eben tut.)

  2. In der Schule geht es um Geschichtsvermittlung nicht um Geschichtsforschung. Ich möchte hier jetzt nicht in eine Debatte über Lehrplanziele abrutschen. Aber in der Schule steht uns ein großer Koffer voller Werkzeuge zur Verfügung, der uns hilft Wissen zu vermitteln: Lehrbücher, Grafiken, Infotexte, Arbeitsblätter, Rollenspiele, Videos. Darf ein Computerspiel nicht auch einfach eines dieser Werkzeuge sein? Eines dessen Stäke es ist, die Andersartigkeit von anderen Welten, anderen Zeiten erlebbar zu machen?
    Gerade im Kontext Schule muss es doch nicht der Anspruch sein, dass alles einen Wert als Primärquelle besitzt. Oder legst du den SuS einen Abklatsch vor und erwartest, dass sie daraus das Römische Reich extrahieren? Spiele müssen keine Quelle sein. Quellenarbeit kann unglaublich spannend sein - und bei dir klingt an, dass du eine sehr intensive Quellenarbeit mit Schülern in der Oberstufe betreibst - aber um gut mit Quellen umgehen zu können, muss auch der Zeitkontext verstanden werden. Es kann ja nicht das Ziel sein, dass sich jeder Schüler die Geschichte anhand der Quellen von Grund auf neu schreiben muss.
    Zumal der Schüler ja auch kein Unbeschriebenes Blatt ist, er kommt ja mit einem Geschichtsbewusstsein dass Beispielsweise von Filmindustrie Fernsehen, Spielen und Ivanhoe geprägt ist in den Unterricht.

  3. Auch die Geschichtsforschung betreffend finde ich deine Position fast schon naiv Positivistisch. Es gibt keine Objekt Wahrheit, die sich irgendwann erschließt, wenn wir nur lang genug auf die Quellen schauen. (Das ist zumindest das, was ich zwischen den Zeilen herauslese, wenn du betonst, dass Schüler nur aus Quellen lernen sollen.)
    Woher kommen denn neue Forschungsansätze? Wir blicken auf unsere Welt und entdecken etwas Neues- und dann prüfen wir mit diesem Gedanken nochmal unser bekanntes Wissen. Wir übertragen Ideen, Denkmuster und Konzepte aus anderen Kontexten; vlt ergibt sich in einem Spiel eine neue Handlungsoption, die uns anregt nochmal neu auf das Quellenmaterial zu schauen - und auf einmal spricht es eine neue Sprache.
    Die feministische Geschichtsschreibung konnte es erst geben, als es den Feminismus gab….

Ich empfehle dazu allen Interessierten sich mit dem Konzept vom „Vetorecht der Quellen“ vertraut zu machen. (beispielsweise hier Vetorecht der Quellen - Vetorecht der Quellen)

hier verstehe ich einfach nicht, was du sagen willst. Vielleicht kannst du dass nochmal erläutern?

Ansonsten bin ich komischerweise bei den Philo Beispielen viel näher an deiner Position.

Und ja, der Zeitaufwand ist enorm und es ist schwierig wirklich gute Unterrichtseinheiten aufzubauen. Da wäre sicherlich ein größerer Austausch sehr hilfreich.
Wobei da sicherlich mit hineinspielt, dass Lehr auch eine Tendenz haben alles genau nach ihren Vorstellungen umsetzen zu wollen.