Das hättet ihr nicht. Ich muss zugeben, von der Folge durchaus enttäuscht gewesen zu sein. Am Prototypen gab es ja auch Kritik, die komplett ignoriert wurde. Das kann man machen, aber dort wurden Nachteile aufgezeigt, die sich jetzt in meinen Augen noch deutlicher gezeigt haben.
Der Vorschlag war, vier konkrete Monster des Typs zu nehmen, diese einzuordnen und dabei die Aspekte zu beleuchten. Das würde euch davor schützen, alles mögliche zusammenzuschmeißen und am Ende ein Stereotyp der Beliebigkeit zu produzieren, mit dem niemand wirklich etwas anfangen kann. Ihr habt viel über Tolkien gesprochen, aber am Ende bleiben alle erwähnten Orks bruchstückhaft, verteilt über die ganze Folge. Wenn ich nachhören möchte, wie der Tolkien-Ork und wie ein Warhammer-Ork funktionieren, kann ich das nicht punktuell tun, sondern muss die ganze Folge hören und alle Fragmente selbst zusammensammeln.
Dazu habe ich noch eine vielleicht spezifische Kritik - und mir ist bewusst, dass wir über eine Fantasy-Figur sprechen - die aber aufzeigt, wie angreifbar ihr euch in eurer Arbeit macht, wenn ihr nicht an konkreten Beispielen arbeitet, sondern pauschalisiert.
In den 80er und frühen 90er Jahren, gab es eine handvoll Stoßrichtungen, aus denen man sich dem Thema Ork in Deutschland nähern konnte. Wir reden da von eurer Hauptzielgruppe der Hörer. DnD und Warhammer waren damals in Deutschland nicht die primären Quellen, es gab vielmehr Tolkien, DSA und Shadowrun. Tolkien habt ihr behandelt, aber ausgerechnet DSA und Shadowrun nicht. Das ist deswegen extrem schade, weil es diese beiden Systeme waren, die weit vor Warcraft begommen haben, den Ork zu diversifizieren. In Shadowrun sind Orks genetisch veränderte Menschen, die genauso wie Menschen mal mehr und mal weniger aggressiv sind, intelligent sind oder nicht, kräftig oder nicht. Bei DSA war der Ork in den 80er ein Stereotyp, aber er wurde schon zu 1991 im Rahmen der Orkland-Box zum Kulturschaffenden, mit eigenen Anführern, friedlichen Bauern, zum Helden eines Soloabenteuers und die Rolle der Orkin wurde bedacht. Das Phänomen des in der Literatur fast ausschließlich männlichen Orks ist euch durchgerutscht, ihr pauschalisiert mit Aussagen wie „Orks sind keine Kulturschaffenden“ oder „Orks folgen immer einer fremden Macht“ und diese Aussagen sind gerade im deutschsprachigen Raum schlicht falsch. Würde man den Podcast als journalistische oder literaturwissenschaftliche Abhandlung bewerten wollen, müsste er sich dem Vorwurf stellen, im Sinne eines gewünschten, weil möglichst stereotypen Ergebnisses bedeutsame Quellen ignoriert zu haben, ja unsauber oder unvollständig recherchiert worden zu sein oder Quellen bewusst ignoriert zu haben. Das klingt harsch, soll euch als Literaturwissenschaftler und Journalisten aber nicht persönlich angreifen. Es geht mir explizit um diesen einen Beitrag, den ich durchaus als unterhaltsames Geplänkel einordne, der durch den enormen geschichtlichen Vorlauf und die Nähe zu anderen Formaten hier aber auch anders betrachtet werden könnte.
Ich will da gar nicht die große Keule schwingen und Selektion gehört zum journalistischen Arbeiten, aber es sind halt nicht die „Schwarzpelze von [den paar] DSA-Spielern“. Gerade die Auflagen der ersten DSA-Abenteuer und Boxen lagen im sechs-stelligen Bereich. Wie oft wurde damals Warhammer in Deutschland verkauft? Ja, ihr beruft euch auf Umfragen in eurem Umfeld, um auf die Gleichungen Orks sind grün und Orks kommen aus Warcraft oder dem Herrn der Ringe zu kommen. Damit legt ihr eine These, die ihre bearbeiten könntet. Dann müsste sie aber nicht nur belegt, sondern auch kritisch betrachtet und wenn nötig widerlegt werden. All das hat aber nicht wirklich stattgefunden, weil ihr die bedeutsamsten Quellen dafür ausgesparrt habt. (Die PC-Spiele verknappen die DSA-Lore an diesen Stellen extrem.)
Am Ende habt ihr einen Frankenstein-Ork definiert, der so böse und scheußlich wie bei Tolkien ist und so kräftig wie bei Warhammer. Das Fazit spiegelt daher überhaupt nicht wieder, wie viele Interpretationen es gibt und dass gerade in Deutschland mit DSA und den USA mit Shadowrun Diversifizierungen stattgefunden haben, die den von euch beschriebenen Proto-Ork widerlegen würden.
Ihr hättet all diese Probleme nicht, wenn ihr gesagt hättet, dass ihr vier aus den folgenden Orks behandeln wollt:
Tolkien
Warhammer
DSA
Shadowrun
JRPG
Ihr hättet alle Facetten eurer Recherche unterbringen können und niemand könnte behaupten, dass ihr im Bestreben einer pauschalen Einordnung unsauber gearbeitet hättet. Es wäre auch eine tolle Folge zum Tolkien-Ork gewesen, aber es ist in meinen Augen keine tolle Folge zum DEM Ork, weil es gerade im Falle des Orks DEN Ork nicht gibt.
Das klingt jetzt alles sehr harsch und nach Mimimi-mein-DSA-Ork-kam-nicht-vor, aber ich war wirklich enttäuscht von dieser Folge und eurem Ansatz auf das an sich spannende Thema. Ich möchte aber auch anmerken, dass ich eurer Arbeit in anderen Formaten sehr schätze, ich euch nichts Böses unterstelle und das auf Da-haben-wir-einen-Bereich-aussparen-wollen-um-nicht-zu-viel-zu-machen schiebe, wobei ich die Auswahl unglücklich finde… Mir ist auch klar, dass das Format unterhalten soll und ihr habt es ja auch geschafft, emotional zu binden und eine Diskussion zu beginnen.
Ich möchte meine Kritik daher mit einem Danke für die vielen tollen Podcaststunden und fröhlichen Weihnachtsgrüßen beschließen. Ich bin gespannt, wie es mit dem Format weitergeht (und hoffe dabei auf eine Veränderung des Ansatzes, damit das Format konkreter wird und sich auch mehr um Computerspiele drehen kann) und wünsche euch nicht nur einen guten Rutsch, sondern auch für 2024 alles erdenklich Gute!