Eine interessante Idee, die ich in der Umsetzung nicht zu 100% optimal genutzt empfand. Wenn man bei 8 Kategorien dreimal die Regeln brechen muss, ist das ein Hinweis darauf, dass die Regeln nicht funktionieren. Mir ist klar, dass der Aspekt mit den Punkten humoristisch und augenzwinkernd gemeint ist, aber dennoch weisen die Probleme beim Einordnen ja auf Schwierigkeiten in der Herangehensweise ans Thema hin - in meinen Augen.
Man merkt der rund 90-minütigen Folge in meinen Augen an, wo ihr herkommt, und dass es noch unklar ist, wo die Folge hin soll. Der Aspekt der Herkunft des Klischeewissenschaftlers dauert bis etwa zur 45. Minute, das ist die erste Halbzeit. Danach kommen sieben Kategorien in der gleichen Zeit. Ihr habt viel recherchiert und seid in dem Thema ja auch belesen, aber das Problem ist, dass am Ende viele Deutungen zu konkreten Wissenschaftlern in der Literaturgeschichte gemacht wurden, die nicht in einer gemeinsamen Definition müden, so dass im Folgenden alles schwammig bleibt: Ist der Wissenschaftler an sich bedrohlich oder seine Erweiterungsform oder sein Werk? Aber X in Spiel Y hat ja gar keine Erweiterungsform, der baut nur Massenvernichtungswaffen. Na dann ist er ja nicht bedrohlich, also 3, aber die Waffe 10. Wenn er sich die Massenvernichtungswaffe aber an den linken Arm tackert, dann ist er erweitert, also eine 9 von 10, weil man ihm mit einem Tritt in die Nüsse besiegen kann. Ist nur ein Beispiel, aber es zeigt, dass vorab eine Definition des Monsters und auch der Kategorien fehlt.
Das wird auch in der Zukunft immer wieder passieren. Eine Ratte ist harmlos, aber die Viecher gibt es ja nur im Rudel. Ab wie vielen Ratten ist die Gefährlichkeit 2? Und was ist mit der mutierten Megaratte. Wäre Splinter ein Schurke, wäre er ziemlich gefährlich. Also Ratte 1, in der Gruppe 7, mutiert 8.
Am Ende schiebt ihr dann eine Definiton für den verrückten Wissenschaftler nach, führt damit aber Teile der Argumente zuvor ins Absurde, weil ihr ihnen widersprecht. Eine KI hat sicherlich nicht mit Zurückweisung oder Mobbing Probleme, hat keine Zweifel und Gewissensbisse. Sie hat sich auch nicht selbst der Wissenschaft und der Forschung verschrieben und ob sie genial ist oder einfach nur viele Gedanken parallel hat, bis der beste dabei ist, kann auch diskutiert werden.
Ich hätte es gewinnbringender für einen Retrospiele-Podcast gefunden, wenn ihr sagen würdet, ihr baut ein Monsterquartet. In jeder Folge gibt es eine Kategorie, heute Der verrückte Wissenschaftler. Ihr braucht 4 Karten, also 4 Wissenschaftler aus Computerspielen. Dann könnt ihr über 4 Wissenschaftler und 4 Spiele sprechen und zusätzlich alle Informationen zum Thema Verrückter Wissenschaftler geben, die ihr auch in der Folge untergebracht habt.
In Spiel X taucht Wissenschaftler Y auf, der wird so dargestellt. Das erinnert an A aus dem Buch B und C aus dem Film D. Dort wird der innere Dialog geführt, im Spiel fällt er heraus, aber da man sich am Stereotyp bedient, muss das im Spiel nicht gemacht werden und die Figur funktioniert als Bösewicht/komische Verballhornung ihrerselbst. Doktor E dagegen in Spiel F ist an sich vollkommen harmlos, anders als X, aber sein Roboter, der ist bedrohlich. Er ist damit gefährlicher als X, aber nur wegen der Maschine. Da man ihn im Spiel F aber nur mit seiner Maschine trifft, geben wir hier viele Punkte. Kommen wir zu Spiel H, da nehmen wir Wissenschaftlerin G. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sie eine der wenigen Wissenschaftlerinnen ist, die …
Ich fände es so herum spannender, weil ich 4 Spiele nähergebracht bekomme und speziell ihre Antagonisten. Die Hintergründe zu Wissenschaftlern werden genauso transportiert, aber man muss nicht mehr alle Spezialfälle ins Allgemeine übertragen, um dann mit anderen Spezialfällen das Allgemeine zu hinterfragen, sondern kann von Spezialfällen aus viele Allgemeinheiten anspielen, ohne sie hinterher widerrufen zu müssen. A ist ein typischer Wissenschaftler Marke M, C ein Vertreter von Kategorie N. Es bleibt, dass es den verrückten Wissenschaftler so nicht gibt, man aber schon verschiedene Stränge ausmachen kann. Und am Ende haben viele gemeinsam, dass …
Noch zwei inhaltliche Dinge: Man müsste noch einmal schauen, ob alle von euch angesprochenen Wissenschaftler verrückt sind. Der alberne Muhaha-Wissenschaftler ist tatsächlich sehr viel seltener, als man denkt, und viele Schurken sind nicht verrückt, sondern moralisch breiter aufgestellt. Gerade bei James Bond kommt das Problem zum Tragen: Q ist nicht verrückt, obwohl er Raketenwerfer in Autos baut und Laser in Uhren. Er ist gerade in den 60er und 70er Jahren ein komisch schrulliger Charakter, aber nicht verrückt. Die Gegenspieler von James Bond sind noch viel weniger verrückt, sie arbeiten „nur“ für die „falsche“ Seite. Verrückt wird da häufig mit „nicht meine Moral“ gleichgesetzt, aber der verrückte Wissenschaftler meint ja nicht selten den Wissenschaftler, der frei von jeder Schranke im Kopf alles tut, weil er es kann, bis er selbst die Kontrolle über alles verliert und die Heldenfigur gewinnen kann.
Zweiter Aspekt: In Videospielen werden Wissenschaftler meiner Meinung nach oft nicht eingesetzt, um eine Angst vor Technologie anzuspielen, was ihr nach der Literatur- und Filmgeschichte als Hauptmotivation für den Einsatz der Figur in einem Werk habt im Raum stehen lassen. Ich habe als Kind mein Mastersystem geliebt und hatte keine Angst vor Fortschritt oder Technik - und vor allem hatte ich keine Angst vor Doktor Robotnik. Der diente aber als wunderbare Erklärung dafür, warum ich mit einem blauen Igel durch Level rennen muss, in denen es Roboterkrebse und Roboterbienen gibt. Gerade in Computerspielen hat der verrückte Wissenschaftler keinerlei moralische Einordnung, er ist nur das Feigenblatt, in ein mehr oder weniger realistisches Setting unrealistische Dinge einbauen zu können, die nicht Aliens, Götterwirken, Zauberei oder spontane Mutationen sind. Oft genug begegnet man in Spielen dem Werk des Wissenschaftlers, aber nicht unbedingt ihm selbst. Der „böse Konzern“ ist dann das zweite Feigenblatt, um die Finanzierung der teuren Hightechwaffe zu erklären.
So wie es klingt, ist ja nicht sicher, ob und wenn ja was zukünftigt fortgesetzt wird. Mir ist klar, dass man auch meinen Ansatz rauf und runterkritisieren kann, aber wenn es zur Fortsetzung kommt, würde es mich freuen, wenn ihr den Ansatz intern nochmal diskutiert. Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht, durch die Folge über das Thema nachzudenken, und ich habe auch wieder Neues gelernt, vielen Dank dafür!