Ein spannendes Thema, über das man ganze Abhandlungen füllen kann und das sich aus sehr verschiedenen Perspektiven betrachten lässt.
Mal eine provokante These: The Last of Us ist eine Bankrotterklärung der Spiele in Bezug auf die Existenzberechtigung der Spiele als relevantes Storymedium und das Gegenteil eines Meilensteins.
Wieso? Im Prinzip besteht The Last of Us aus zwei Teilen, nämlich Zwischensequenzen und Spielabschnitten. Wenn ich einen Spielabschnitt gelöst habe, werde ich mit einer Zwischensequenz belohnt. Hin und wieder mag es sogar sein, dass sich eine Sequenz leicht abändert, abhängig davon, wie ich gespielt habe. Vielleicht verpasse ich auch mal hier und da was, weil ich nicht richtig genug gespielt habe, aber am Ende wird eine Erzählung nur gestückelt und durch Spielabschnitte unterbrochen. Bei Final Fantasy ist es nicht anders. Noch krasser wäre da ein Uncharted, weil Spielabschnitte mit Massenmorden und emotionale Filmsequenzen narrativ nicht zueinander passen.
Die Spiele retten sich oft mit dem Enviormental Storrytelling, als wäre das eine neue Erfindung, die es andernorts noch nicht gab. Das stimmt aber auch nicht, denn jedes Filmset erzählt etwas über die Welt und die Handlung, ohne dafür extra gelobt werden zu müssen. Wenn man bösartig wäre, könnte man also sagen, dass es Spiele nötig haben, hier Relevanz zu suchen, weil sie sich irrelavant fühlen.
Und genau da ist das Problem, in meinen Augen: All diese Debatten gehen ganz oft in die Richtung der Anerkennung von Computerspielen. Wer Herrn Walk eine Weile verfolgt hat, der sehr viel in diese Richtung nachgedacht und gerade auch bei The Pod an Gedanken geteilt hat, merkt auch, dass er das oft mit der Angenda getan hat, Computerspielen (durchaus auch finanzielle) Anerkennung zukommen zu lassen. Für mich als Spieler ist es aber vollkommen egal, ob ich die Geschichte von Indiana Jones, der Atlantis sucht, als Film, Buch oder durch Rätsel unterbrochene Pixelart-Geschichte vorgetragen bekomme. Wie André und Christian bei 10JK neulich schon sagten: C&C wurde auch oder gerade deswegen Level um Level gespielt, um eine neue Videosequenz zu sehen.
Natürlich können Spiele auch mehr, aber das können sie in meinen Augen vor allem dann, wenn man sie dabei Spiele sein lässt. Dann ergeben sich die Geschichten nämlich von ganz alleine, so wie bei Elite. Privateer ist da ein spannendes Brückentier. Auf der einen Seite zieht es den Spieler durch eine klassiches, von Spielelementen zerstückelte Geschichte, anderersseits öffnet es immer wieder Räume für eine eigene Geschichte, die durch den Spieler entsteht. Ich bin ewig mit dem ersten Schiff geflogen, habe dann auf den Frachter gewechselt, Kohle gescheffelt und dann erst mit dem letzten Raumschiff die Story begonnen. Ich habe mich nicht als Pirat verdingt und wollte „gut“ sein, wobei ich natürlich jede Art von Mission angenommen habe. Andere Spieler haben sich aber als Piraten erlebt, als Kopfgeldjäger oder primär als Händler. Das Spiel hatte also eine Geschichte des Spielens und eine in Filmsequenzen. Interessanterweise kann ich man die Spielgeschichte auch nach fast 30 Jahren noch erinnern, an die Filmsequenzen aber überhaupt nicht, außer dass es sowas gab.
Es gibt natürlich viel mehr Ansätze und Versuche, Dinge auszuprobieren, aber in meiner idealen Welt müssen diese nicht mehr für Rechtfertigungen herangezogen werden, weil es natürlich ist, dass man eine Geschichte auf vielfältige, gleichberechtigte (nicht gleiche) Arten erzählen kann, auch wenn das vermutlich nie so sein wird und auch nicht so ist, selbst wenn Medien gleichwertig sind. Fans werden einen Star Wars-Film immer als für ihre Perspektivbildung wichtigste Quelle sehen, dann eine Serie, dann ein Buch, dann ein Comic oder Spiel. Das ist vielleicht gerade mit der Reihenfolge eine gewagte These, aber wenn parallel eine neuer Film und ein Comic erscheinen und der Schauspieler hat blonde Haare, im Comic ist aber ein dunkler Braunton gewählt, wird die Actionfigur blonde Haare haben und nicht braune.
Es geht mir aber viel mehr darum, dass es schön wäre, wenn man das Medium seiner Wahl irgendwann konsumieren und dabei irgendeine Form der Geschichte erleben könnte, ohne innerlich einen Rechtfertigungsdruck zu verspüren, wie es gerade uns Spielern immer wieder geschieht. Das ist vielleicht auch eine gewagte These, aber ich kenne Menschen, die Transformers als unterhaltsamen Film beschreiben, die CoD-Kampagnen aber „nur“ gespielt haben, um Skins für den Multiplayer freizuschalten. Da wird jede Form von Unterhaltensein geleugnet, weil die Story nicht tiefgründig ist. „Aber Rambo 3, das war damals ein Actionfilm, wow!“
Ich möchte damit natürlich auch nicht die hiesige Deabtte verdammen, ich glaube nur, dass Computerspiele gar nicht irgendwo aufschließen, kein Leitmedium sein müssen und keine Quantensprünge brauchen, sondern schon seit vielen Jahren so viel bieten, nur dass wir Spieler das oft selbst nicht merken. Das Universum der Unendlichkeit ist ein fürchterliches Buch, sowohl im literatischen als auch im gamistischen Sinn. Es erklärt nicht einmal seine Regeln richtig. Aber es ist dennoch ein Vehikel gewesen, mit dem Gunnar und Mháire eigene Geschichten erleben konnten. So wie Elite auch. Hier eröffnen Spiele neue Möglichkeiten, spielerisch. Klassische Geschichten erzählen sie schon immer so gut und schlecht wie jedes andere Medium auch. Sie bieten aber zusätzlich einen Raum, in dem ein Spieler spielen kann - und dabei eine ganz persönliche Spielgeschichte erleben, die sicherlich abhängig vom Spiel mal mehr und mal weniger spannend ist, mal mehr und mal weniger vom Designer mit inhaltlichen Intentionen wie dem Erleben von Emotionen gefüllt ist, mal mehr und mal weniger als solche wahrgenommen wird. Aber selbst eine Partie Mensch-ärgere-dich-nicht wird am Ende eine Geschichte haben.
Noch ein Gedanke zum Schluss: Wir Spieler heben oft total glücklich FF7 empor und dann die eine emotionale Szene, weil wir damit nach außen belegen können, auch etwas Ernstzunehmendes zu haben. Oder TLoU. Warum heben wir denn nicht Elite hoch? Warum erheben wir Spieler eine Filmsequenz zum emotionalen und erzählerischen Highlight des Computerspiels? Warum muss es partout ein Stück erzählte Geschichte sein, warum darf es um himmelswillen keine erlebte Geschichte sein, etwa als wir nach zig Stunden eine Stelle endlich geschafft haben? Warum kommunizieren wir nicht, welchen Spaß es gemacht hat, nach 3 Stunden endlich die Zeit eines Freundes beim Autorennen geknackt zu haben? Vermutlich weil es uns peinlich ist und wir es selbst nicht als wertvolle Erfahrung erleben. Wir haben drei Stunden lang auf einen Monitor geglotzt für ein paar Glückhormone. Was wir da hätten lesen können. Oder wenigstens einen spannenden oder gar "intellektuell wertvollen"™ Film anschauen. Vielleicht erheben wir Spieler gerade deswegen so gerne ein TLoU zum erzählerischen Durchbruch, weil wir selbst nicht daran glauben können, dass der Durchbruch zuvor schon längst stattgefunden hat.
Allerletzte Anmerkung: Das soll kein Angriff auf all jene sein, die TLoU mögen oder darin etwas besonders sehen. Es geht mir einzig um die Perspektive auf das Medium Spiel und unsere - hier natürlich zuvorderst meine eigene - Einstellung dazu.