Ich habe die MAG!!!-Staffel jetzt am Stück gehört und antworte gerne noch auf den Feedback-Wunsch.
Vorneweg: Ich habe mich gut unterhalten gefühlt, ihr habt so einiges an Unterhaltungswert aus der Wirtschaftssimulation herausgeholt.
Ebenfalls vorneweg: Ich habe MAG!!! zum Erscheinungszeitpunkt schon eine ganze Weile lang gespielt, bin also nicht unvorbelastet in die Staffel gegangen. Das hat sicherlich massiven Einfluss auf mein Hören der Staffel gehabt.
Hierzu zwei Beispiele: Scheitern und Lösungen nicht sofort zu finden, gehört zu SFS dazu. Das ist oft auch sehr unterhaltsam. In der ersten Folge gab es für mich persönlich aber viele Momente, bei denen ich etwas flapsig dachte: „Dann lies doch im Handbuch nach.“ Das hat Christian zu Beginn der zweiten Folge ja auch eingeräumt, aber wo es bei einem Adventure oft darum geht, dass man nicht darauf kommt, den PUSH-Befehl auch auf eine Person anwenden zu können (was auch nicht im Handbuch steht), waren es hier ja im Handbuch dokumentierte Interface-Konventionen. Ist keine große Sache und sicherlich rein persönlicher Natur, aber ich wollte es rückmelden.
Noch krasser ist mir dieser persönliche Blickwinkel in Folge 4 aufgefallen, als ich im Auto saß und laut „Na endlich!“ vor mich hinsagte. Es war der Moment, in dem Christian vorgeschlagen hat, die Auflage deutlicher raufzusetzen. Ich habe vollkommen nachvollziehen können, warum ihr eure Entscheidungen getroffen habt, wie ihr sie getroffen habt, aber wenn man weiß, dass man im ersten Jahr auf eine sechsstellige Auflage kommen kann, wenn man den ersten und wichtigsten Handbuch-Tipp beherzigt („Machen Sie ein Multiplattform-Magazin!“), die Auflage kontinuierlich steigert und einen Teil des üppigen Startkapitals benutzt, um auf Flughöhe zu kommen, wie es die Retrogamer-Macher nennen, dann hört sich die Staffel ein bisschen wie ein Sportwagen an, der im ersten Gang in Richtung Autobahn geprügelt wird. Wieder: Meine persönliche Perspektive und sicherlich nicht verallgemeinerbar.
Ich habe dank euch und meiner emotionalen Anteilnahme noch ein paar Gedanken in deutsche Wirtschaftssimulationen versenkt. Das mögen triviale Ableitungen sein, aber warum nicht.
Deutsche Wirtschaftssimulationen der 90er-Jahre folgen alle (mehr oder weniger) demselben Prinzip. Vor einer beliebigen Metapher (Spedition (Der Planer), Reederei (Der Patrizier), Krankenhaus (Biing!) Spielemagazin (MAG!!!), …) wird eine zur Metapher passende Alltagsaufgabe (Frachtaufträge mit LKW und Fahrer zusammenklicken, Schiff mit Waren und einem Zielort zusammenklicken, Patient mit Schwester und Arzt zusammenklicken, Spiel mit Redakteur zusammenklicken, …) im inneren Gameplayloop mit einem allgemeinen und immer gleichen äußeren Gameplayloop (durch nicht zu viele Fehler im inneren Gameplayloop Geld scheffeln, um es in ein Mehr im inneren Gameplayloop zu investieren und dort mehr vom gleichen machen zu können) kombiniert. Man handelt Waren, um mehr Schiffe zu kaufen, um noch mehr Waren zu kaufen. Bei MAG!!! ist das Testmusterverteilen der innere Gameplayloop, ganz viele Parameter sind Fluff oder haben nur wenig Einfluss darauf, und Sonderhefte, Marketing und Auflagenhöhe, später auch zweite Magazine, gehören zum äußeren Gameplayloop. Man macht mit wenigen Tests Geld, um mit mehr Redakteuren und mehr Werbung mehr Tests unterzubringen, um damit mehr Geld zu machen, damit mehr Magazine zu machen, in denen man mehr Tests… Und das ist bei MAG!!! auch schon alles.
Warum schreibe ich das überhaupt: Weil mir der Fokus der Staffel doch sehr deutlich auf dem inneren Gameplay-Loop zu liegen schien: „Ich habe 16 Seiten mehr!“ statt „Ich habe die Auflage verdoppelt und vier Monate lang Werbung geschaltet.“ Der äußere wurde immer mal wieder gestreift, aber es ging eben lange Zeit nicht darum, den Wirtschaftssimulationsteil in den Blick zu nehmen. Vermutlich aufgrund eurer Vergangenheit habt ihr den Fokus sehr auf die Redaktion gelegt, aber es ist eben auch eine Verlagssimulation. Tatsächlich legt man ja einmal das Layout fest, teilt die Kategorien grob nach gesundem Menschenverstand ein (mehr Einblick kann der gewöhnliche Spieler ja nicht haben, es sind ja die meisten eben keine ehemalige Redakteure) und dann folgt man dem Ziel, mehr ergibt mehr.
Ganz am Ende habt ihr das Fazit gezogen, das Spiel durchgespielt zu haben, aber noch immer keine Vorstellung von dem Spiel an sich zu haben. Ihr habt es gespielt, aber nicht erforscht. Meine Spielerfahrung mit Wirtschaftssimulationen ist eine etwas andere, eine, die Gunnar erwähnt hat und die vielleicht einen spannenderen Ansatz für eine weitere SFS-WiSim-Staffel bieten könnte.
Man fängt das Spiel an, spielt eine Weile und geht Pleite. Dann fängt man wieder an. Nicht zwanzigmal, aber man lernt mit jedem Durchgang. Wie aggressiv kann man die Auflage am Anfang steigern? Welche Genres kommen nach einem Jahr in Massen und wie viele Redakteure braucht man dafür, welche Redakteure braucht man erst später? Führt der Start mit einem Extra-Redakteur für Kontaktpflege zu besseren Ergebnissen? Was unterscheidet einen Allrounder von einem mit Schwerpunkt Action? (Es ist die Dauer, die ein Test braucht, also eine entscheidender Wert, wenn es viele Tests gibt. Ablesbar ist das durch das Verteilen eines Testmusters auf verschiedene Redakteure da kann man dann auch andere Einflüsse erahnen.) Das testet man alles erstmal aus. Und irgendwann flutscht man über die Einstiegshürde und spielt ein wenig informierter weiter oder bis zum Ende. Mein Vorschlag wäre also, eure Zielsetzung für eine solche Staffel zu überdenken. Ihr könnte ja beide einen Verlag gründen und zum Erfolg führen, dabei auch schauen, wer erfolgreicher ist, aber es muss ja nicht gleich der erste Start (oder dann doch der zweite) sein. Wenn ihr die ersten drei Folgen genutzt hättet, dreimal zu starten und mit den Optionen des Spiels zu experimentieren, wäre vermutlich mehr (zumindest gefühlte oder erahnte) Expertise über die Spielmechanismen zusammengekommen. Zufallsereignisse werden zum Beispiel vor Beginn eines Monats für den Monat festgelegt. Die Kündigung von Mitarbeiter X bei 2:24 verbleibenden Stunden ist festgelegt, sobald der Monat beginnt. Lädt man ein Savegame aus dem Vormonat, kommt es womöglich nicht zur Kündigung. Notfalls gibt es Geld. Und wer am Anfang mitmacht oder nicht, ist auch reiner Zufall. Das wechselt mit jedem Start.
Man kann auch einen Monat starten, spielen und die Auflage nach drei Monaten checken. Danach lädt man neu, macht massiv Werbung und vergleicht die Auflage nach drei weiteren Monaten. Auf all diese Analysen habt ihr verzichtet, weil ihr im Wettkampf beim ersten Durchspielen fair zueinander sein wolltet. Und dann habt ihr doch verschiedene Hosenbeine der Geschichte besucht. Eine Experimentierphase mit extremeren Versuchen hätte die Staffel in Bezug auf die Spielanalyse meiner Meinung nach bereichern können – und das habt ihr bei einigen sehr abgefahrenen Adventures ja auch so gemacht. Erstmal alles in Ruhe angucken, die Simulation im Hintergrund beobachten. Wenn man das drei Folgen lang gemacht hat, kann man ja immer noch einmal Durchspielen und gucken, wer erfolgreicher am Ende rauskommt.
Das wäre natürlich eine andere Ausrichtung, aber bei einem Adventure geht ihr auch so vor. Ihr probiert an einer Location alles aus. Ihr kauft alle Items bei allen Händlern. Ihr bestehlt alle Passanten. Ihr sucht aus Spaß nach Exploits. Mit MAG!!! seid ihr irgendwie anders umgegangen.
Noch eine Anmerkung zu verkappten Mechanismen: Die sind meiner Meinung nach essentiell für eine Wirtschaftssimulation. Die Simulation muss sich realistisch anfühlen, mit mehr Werbung muss ich mehr Magazine verkaufen, mit einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit sollten Kündigungen seltener sein oder es ist einfach nur ein Feel-good-Feedback, nachdem ich das Gehalt erhöht habe. Aber wenn der Punkt kommt, an dem mir der Mechanismus vollkommen klar ist, an dem ich die Formel kenne, ist der Spielspaß vorbei. Je genauer ich die Formeln kenne, desto langweiliger wird das Spiel. Das kam ja auch im Interview raus. Der Patrizier ist da ein tolles Beispiel. Das Spiel macht Spaß, solange man Handelswege entdeckt. Wenn man aber erstmal gute Routen hat, ist das Spiel schlagartig langweilig. Man fährt immer dieselben Routen ab und klickt dieselben Sachen zusammen. Ein Brand? Eine Ware fehlt? Ich muss etwas ändern? Das ist dann plötzlich nervige Arbeit, weil man eine bessere Route kennt, einen besseren Weg, die Formel zu optimieren.
Ich stimme natürlich zu, dass MAG!!! dieses Beherrschbarkeitsgefühl schwerer erreichbar macht als andere WiSims seiner Zeit, weshalb das Spiel als relativ schwer galt, aber ich bin mir sicher, dass man auch MAG!!! noch anders hätte analysieren können – und das hätte ich mir persönlich in einer sechsten Folge noch gewünscht. So musste ich Christian innerlich zustimmen, als er meinte, das Gefühl von Expertise hätte am Ende gefehlt.
Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu klug$ch3183nd, ich wollte nur ermuntern, bei WiSims noch mehr analytisch zu experimentieren und mehr in die Tiefe zu gehen. Aber vielleicht ist mein Geschmack da auch zu speziell. Dem allgemeinen Fazit, wieder einmal eine WiSim bei SFS zu spielen oder ein anderes Genre zu wagen, möchte ich mich sehr gerne anschließen. Allerherzlichsten Dank für das spannende Experiment und die vergnüglichen Stunden damit!