Was spiele ich aktuell a.k.a. Spieletipps

Ich war früher ein riesiger Fan von Adventures, aber konnte mit den meisten Spielen, die nach 2000 oder so erschienen sind, nicht mehr viel anfangen. Im Wesentlichen hatte das, glaube ich, drei Gründe:

  1. Die spürbar niedrigeren Production Values, die sich hauptsächlich darin widerspiegeln, dass es an einem eigenen Grafikstil und ansehnlichen Animationen mangelt.

  2. Das ständige Referenzieren der Klassiker; insbesondere Comic-Adventure kommen anscheinend nicht aus, ohne mindestens einmal pro Szene einen LucasArts-Titel zu zitieren. Fühlt sich dann so an, wie wenn man Folge 235 von „Die drei ???“ hört, die sich nicht zu blöd ist, zum 235. Mal die unsäglichen Sprüche zur Visitenkarte und der Bedeutung der Fragezeichen zu bringen.

  3. Das unendliche Gelaber. Adventures aus den 90ern waren in der Hinsicht ja zumindest ein Stück weit durch die Technik bzw. den zur Verfügung stehenden Speicherplatz limitiert - und selbst in recht gesprächigen Spielen wie Baphomets Fluch waren die Dialoge zumeist zielführend, charakterentwickelnd oder wenigstens unterhaltsam. Moderne Adventures hingegen begreifen die Laberlastigkeit echt als Feature; das eigentlich ganz interessant wirkende 3 Minutes to Midnight zum Beispiel gibt allen Ernstes damit an, dass das Drehbuch dreimal so viele Zeilen umfasse wie das von CMI. Uhh … thanks, but no thanks.

So. Das war jetzt ironischerweise 'ne ziemlich lange Vorrede, um eigentlich nur Loco Motive empfehlen: ein wirklich tolles, modernes Comic-Adventure, das all diese Fehler endlich mal umschifft.

Es verfügt über eine eigene, dem Szenario und seiner Tonalität angemessene Art Direction, vor allem auch mit aufwendigen Animationen, die ich qualitativ durchaus auf dem Niveau eines Sam & Max oder Baphomets Fluch einordnen würde.

Es erzählt seine Krimigeschichte mit eigener Klangfarbe, die sich, wenn überhaupt, vielleicht auf Filme wie Knives Out bezieht, nicht aber auf typische Adventures.

Und es versteht, dass das Editieren und Kürzen von Texten nicht minder wichtig ist als das Schreiben. Ich würde nicht sagen, dass wenig geredet wird - man kann schon viele Fragen stellen -, aber ich hatte nie das Gefühl, einen Dialog mal wegklicken zu wollen. Das genießt echt Seltenheitswert.

Ansonsten ist Loco Motive ein zwar einigermaßen dynamisch und charmant erzähltes, aber lineares und traditionelles Adventure. Es wagt keine großen Experimente, schafft es mit seiner eigenen Art und einem rundum poliert wirkenden Design aber, nicht angestaubt, sondern überraschend zeitgemäß zu wirken. Etwas, das selbst einem Return to Monkey Island in meinen Augen nicht durchweg gelingt.

Kurzum: Müsste ich jemandem ein Adventure der letzten zehn, fünfzehn Jahre empfehlen, würde es wahrscheinlich Loco Motive sein!

12 „Gefällt mir“