Weihnachtswoche 2022

Eine kleine Weihnachtsgeschichte.

Ein Päckchen extra

Heute bin ich sehr früh aufgewacht und nutzte den frühen Morgen, um Geschenke einzupacken und Weihnachtsfilme zu schauen. Nach einer Weile kam ich dann ins Grübeln und musste an den einen Freund aus Kindheitstagen denken. Nennen wir ihn mal „Andi“. Andi war mein „Sascha“, wohnte schräg gegenüber und hatte damals nicht nur stets die neuesten Videospiele und Computertechnik, sondern gefühlt auch alle He-Man Figuren, die es jemals gegeben hat. Mann, war ich auf die Sammlung neidisch! Über die Jahre wurde Andi aber immer introvertierter, zog mit seinen Eltern in einen anderen Stadtteil und man lebte sich auseinander. Er war so ein Eigenbrötler, der immer nur wechselnde Kumpels, aber nie wirklich Freunde hatte. Er ging nie unterwegs, hatte nie Interesse an einer Freundin oder kam auch nur mal ein klein wenig aus sich heraus. Gefühlt war er immer noch ein 12 Jahre alter Junge, der immer die gleiche Frisur, öden Klamotten und einseitigen Ansichten hatte und nur für Sammelkartenspiele und Games schwärmen konnte, die Außenwelt doof fand und nur für seine Eltern lebte. Ein Klischee-Nerd, der im Keller seines Elternhauses wohnt und Computer spielt und draußen möglichst nicht auffallen wollte.

Fast zwei Jahrzehnte sind vergangen als er dieses Jahr wieder Kontakt zu mir aufnahm, da sein Vater im Juni an Krebs gestorben und auch seine Mutter schwerkrank war. Er hatte einfach niemand anderes an den er sich wenden konnte. Es dauerte nur ein paar Wochen als auch seine Mutter an Krebs starb. Für ihn ist da eine Welt zusammengebrochen. Er war 45 Jahre alt und hat immer nur mit und für seine Eltern gelebt. Nun waren Vater und Mutter so kurz nacheinander gestorben. Ich besuchte ihn dann zum ersten mal nach so langer Zeit und es war total seltsam. Die große Wohnung war mit den originalen Möbeln aus meiner Kindheit eingerichtet. Sogar die Bilder an den Wänden und selbst der Geruch in der Wohnung kamen mir noch aus Kindheitstagen bekannt vor. Ich habe versucht ihn zumindest ein klein wenig aufzuheitern und hatte ihm einen He-Man als Überraschung mitgebracht. Sofort sprang bei ihm die Gedankenmaschine an und wir erzählten uns von den Figuren von damals und zählten die vielen Charaktere aus dem Gedächtnis auf und er erzählte noch mal welche Figuren er hatte und welche er gerne gehabt hätte. Wir redeten über die Hörspiele, Lieblingsfiguren und die TV Serie. Es hat deutlich die Stimmung gehoben.

Das ist nun schon wieder mehrere Monate her und heute in der Früh fiel mir ein, das er dieses Weihnachten wahrscheinlich ganz alleine verbringen würde. Keine Eltern, kein Ehepartnerin, keine Freunde. Da dachte ich mir, dass ich für ihn ein Päckchen extra packe. Ich schaute in meinen Fundus mit doppelten Figuren und hatte noch einen Skeletor und einen Man-at-Arms übrig. Skeletor schied als indirektes Symbol für Tod für mich thematisch aus. Aber ein neuer Man-at-Arms könnte sich als Freund neben seinen He-Man gesellen. Passt! Also einen Schuhkarton rausgekramt, ihn darin verpackt, mich angezogen und losgelaufen. Ich merkte gleich, das er nicht zuhause war. Kein Auto, kein Licht, Rollläden halb unten. An Feiertagen werden Alleinstehende nun mal öfters zur Arbeit herangezogen als die Familienmenschen. Also das Geschenk ein wenig blick- und regensicher im Hauseingang untergebracht und einen Zettel „Für Andi“ angebracht.

Ich hoffe, dass damit Andis erstes elternloses Weihnachten ein wenig aufgemuntert wird, wenn er dann später nach Hause kommt und ein rotes Geschenk vor der Haustür vorfindet.

In diesem Sinne.

Tut was Gutes und Frohe Weihnachten! :christmas_tree:



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