Civilization (SF 137)

Bin noch nicht durch, habe aber wieder einmal großen Spaß und finde mich sehr gut wieder was die Erinnerungen ans Spielen ohne Handbuch, ähem, angeht.
Meinem ca. 11-13 jährigen Ich war damals nicht klar, dass das Spiel noch anderen Siegbedingungen hat als die Unterwerfung der Welt. Ich hatte auch niemanden, mit dem ich mich austauschen konnte über das Spiel, ich war 3-4 Jahre zu spät dran und die Klassenkameraden hatten neuere Computer und grafisch beeindruckendere Spiele. Reingezogen hat es mich trotzdem.

Ich erinnere mich an eine Runde, ich glaube zweitleichtester Schwierigkeitsgrad und maximale Gegnerzahl, ich bin technologisch gut vorangekommen, habe lange überlebt, es kam zum unausweichlichen Clash mit der zweiten Weltmacht, den Babyloniern. Nachdem es nicht ausreichte, diese mit Jagdbomberverbänden in die Knie zu zwingen, baute ich das „Manhattan Project“. Ich erinnere mich auch, dass ich die Demokratie mal ausprobierte, das Parlament lehnte dann aber einen atomaren Erstschlag gegen Babylon ab. Das fand ich doof, Systeme wie die Korruption hatte ich ohnehin nicht verstanden, unzufriedene Bürger „besänftigte“ ich üblicherweise durch Ignorieren oder mehr Militär in meinen wichtigen Städten. Somit wechselte ich zurück zum Despotismus.
Kriegsverbrecher Christian hat ja geschildert, wie er mit der babylonischen Küstenstadt umgegangen ist, das war aber kein Vergleich zu meinem Vorgehen, es regnete bald Atombomben auf alle babylonischen Städte.

Jahre später habe ich dann irgendwo gehört, dass man Civ auch gewinnen kann, indem man zu den Sternen fliegt. Bis heute habe ich das nicht ausprobiert, ich habe auch keinen der Nachfolger nach Civ 2 gespielt, da ich mich normalerweise in anderen Genres bewege. Hmm. Wäre mal Zeit :thinking:.

Microprose war mir damals übrigens in erster Linie durch „Grand Prix“ ein Begriff. Das fällt nun leider völlig aus dem Muster üblicher SF Spiele, solltet ihr aber jemals dazu einen Podcast machen, hättet ihr schon mindestens einen Zuhörer (Erster Beitrag im Forum, gleich Wünsche äußern, was’n Depp. Aber es fiel mir nun mal ein…)

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Vielleicht ein Vorschlag für die kommende Trivia Folge zu dem Spiel. Ich finde es interessant, dass es mehrere open source Klone zu Civilization gibt: Freeciv oder Freeciv21 sollen wohl eher so wie Civ 2 sein und Unciv wie Civ 5. Würde mich interessieren, was ihr davon so haltet :smiley:

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Eine tolle Folge! Die Adlib(?)-Musik des Intros und diejenige zu Christians Gameplay-Bericht fand ich so stimmungsvoll, dass ich fast schwach geworden wäre und wohl zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert eine Partie Civ gestartet hätte. Dann habe ich aber doch vor diesem Zeitfresser kapituliert und lieber was mit meinen Kindern unternommen.

Noch mal zur Musik: Ich kann mich beim besten Willen nicht entsinnen, dass meine DOS-Fassung von damals Musik oder Sound gehabt hätte. Das muss in meiner Prä-Soundblaster-Ära gewesen sein. Gab‘s denn irgendeinen Output aus dem PC Speaker?

Und übrigens: Der Schluss-Gag war gut!

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Ich habe Civ1 beim Kumpel auf dessen Festplatte gefunden. Wir haben mit Siedlern eine Wagenburg gebaut bis uns dann ein Reiter aufgefressen hat. Und da war mir klar, dass ich das Spiel auch brauchte.
Und dann habe ich es zu meinem Geburtstag im Software-Laden in unserer Stadt für absurd teure 149DM gekauft. Die Packung wiegt 670g. Das fühlte sich wie 2kg an.

Daher mal zum Thema Handbuch:
Ja, bei Microprose waren die Handbücher zu der Zeit immer dick. Aber in der Branche insgesamt war das alles andere als normal. Das Handbuch ist auch komplett lokalisiert. Selbst das war nicht selbstverständlich. Damals hatten Spieleboxen billige Sticker mit Werbetexten „Deutsches Handbuch“. Das ist ein Euphemismus dafür, dass das Spiel nicht auf Deutsch ist und die Begriffe in der Anleitung nicht zum Spiel passen, was aber nicht schlimm ist weil der billig kopierte Zettel sowieso total überflüssig ist.

Im Podcast wurde ironisch angemerkt, dass Meier und Shelley in Was-ist-Was-Büchern recherchiert haben. Das wurde ja schon im Railroad Tycoon-Podcast besprochen. Diese Buchrecherche ist bei Civilization wohl ähnlich gelaufen mit ähnlicher populärwissenschaftlicher Literatur nur zum neuen Thema.

Hier sind die Werke, die sie für die Recherche genutzt haben und dem Spieler empfehlen:

Bei der Entwicklung dieses Spiels wurden vielfältige Quellen konsultiert.
Unter den vielen verarbeiteten Büchern fanden wir die folgenden besonders interessant und empfehlen daher, sie zu lesen:

A History of Scientific Ideas von Charles Singer, Dorset Press, New York
1990. Dieses Buch wurde ursprünglich als Geschichte der wissenschaftlichen Ideen bis 1900 veröffentlicht. Es ist informativ und regt zum Nachdenken an.

Atlas of World History, herausgegeben von R. I. More, Rand McNaly, New York 1987. Faszinierende Karten sind mit einem informativen Text kombiniert.

Man, God, and Civilization von John G. Jackson, Citadel Press, New York, 1990. Eine alternative Sicht, die den Ursprung nicht nur der Menschheit, sondern auch der Zivilisation in Afrika sucht; nicht überzeugend.

Our Oriental Heritage, The History of Civilization, Volume 1 von Will Durant, Simon & Schuster, New York 1935 und 1963. Der erste Band der Geschichte Durants behandelt die Definition und die Anfänge der Zivilisation.

The Ancient Engineers von L. Sprague De Camp, Dorset Press, New York 1990. Ursprünglich 1960 veröffentlicht, bietet dieses Werk eine unterhaltsame Diskussion der Anfänge der Baukunst und der Geschichte der Erfindungen.

The Rise and Fall of the Great Powers von Paul Kennedy, Random House, New York 1987. Wirtschaftliche Veränderungen und militärische Konflikte von 1500 bis 2000. Von unserem MicroProse-Kollegen Sandy Petersen als das beste in den 80er veröffentlichte Non-Fiction-Buch empfohlen.

The Seven Wonders of the Ancient World, herausgegeben von Peter Clayton & Martin Price, Dorset, New York, 1989. Geschichte dieser berühmten Bauwerke, von denen nur noch eines existiert.

The Time Atlas of World History, Revised Edition, herausgegeben von Geofrey Barraclough, Times Books, London, 1985. Großartige Karten; ein Spiel auf jeder Seite.

The Blade and the Chalice von Riane Eisler, Harper & Row, San Francisco,
1987. Eine vom Mann beherrschte gesellschaftliche Organisation mit ihrer Hierarchie und destruktiven Technologie hat die Entwicklung der Gesellschaft ins Unglück geführt. Die Rückkehr zur Partnerschaft der Geschlechter und die Sorge um das Leben bilden die Hoffnung der Menschheit.

The World Atlas of Archaeology, herausgegeben von Christine Flon, Portland House, New York, 1985. Schöne Karten und Fotos begleiten den Text, der ausgewählte archäologische Stätten beschreibt.

Vielleicht wäre es mal interessant, die Übersetzer der Microprose-Handbücher zum Interview zu bekommen. Haben die damals gemerkt, dass sie da Handbücher von besonderen Spielen übersetzen? Haben sie sich bei der Übersetzung besondere Mühe gegeben?

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Ja, Microprose hat sich immer viel Mühe bei den Handbüchern gemacht, egal ob die englischen oder die deutschen Versionen. Da gab es immer viele Hintergrundinformationen und deutlich mehr Inhalt als nur die eigentliche Anleitung für das Spiel. Ich blätter heute immer mal wieder gern in den Teilen, weil da wirklich viel drinnen steht. Ich bin für den Vorschlag offen, mit den Übersetzern mal ein Interview zu führen.

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Schließe mich dem vielen Lob an und finde es super, dass ihr euch die Fortsetzungen für mögliche Folgen aufspart. Nur bei den Windows-Versionen gehe ich nicht ganz mit. :innocent: Ich finde die Grafik deutlich schöner, weil sie weniger quietschig und etwas „erwachsener“ wirkt. Und die größere Übersicht macht spielerisch auch Sinn. Also zumindest das „Irrweg der Geschichte“ war zu hart, weil ja gar nichts wirklich geändert wurde. :yum:

Es gibt aber sogar für CivWin und CivNET Mods (nur eine Datei austauschen), die die DOS-Grafik einbauen. So hat man dann das beste aus beiden Welten.

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Ging mir ähnlich, aber ich glaube die Erinnerung täuscht einen, weil das Spiel während der Partei einfach sehr still ist.

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Fazit: Beides möglich…

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Nutzen Amerikaner nicht gerne die britische Aussprache um gebildet zu klingen? :wink:

Noch was:

Ich finde das super, dass ihr an Bruce Shelley herangekommen seid und freue mich sehr aufs Interview.

Ich fand ja die Literaturfolge zu Sid Meyer sehr gelungen - in der Civ Folge hier frage ich mich aber doch, ob Sid nicht einen etwas starken Hang dazu hat, Anekdoten zu gestalten. Ich zumindest frage mich jetzt schon, ob Railroad Tycoon wirklich aus dem Aufenthalt in der Schweiz entstanden ist oder ob es am Ende nicht einfach so war, dass man 1830 was man gerne gespielt hat gerne auf den PC Bringen wollte…. Muss ja auch nicht schwarz weiß sein.

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Ich bin erst zur Hälfte durch, möchte an der Stelle aber mal kurz einwerfen, dass ich bereits jetzt das Projekt „Alte Folgen neu aufnehmen“ für durch und durch erfolgreich und gelungen halte.

Als ihr die Frage erstmals formuliert hattet, war ich spontan im Kopf auch sehr beim Einerseits-Andererseits. Einerseits haben es eine Reihe von Spielen verdient, andererseits gibt es doch noch so viel anderes, spannendes, neues. Aber alleine schon die Hintergründe zu Spielen zu erfahren, mit denen man sich damals intensiv beschäftigt hat, macht Spaß, und auch eure insgesamt viel durchdachtere und geplantere Herangehensweise an die Features ebenfalls.

Ich fühle mich bis hierhin jedenfalls großartig unterhalten, und wechsele jetzt komplett ins Lager von „meinetwegen könnt ihr von jetzt an auch 20 alte Folgen neu aufnehmen, denn sie werden eh klingen, als seien es komplett neue Folgen“. :smiley:

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Ich habe mir die alte folge nochmal angehört und ja dieses neu Aufnehmen tut dem echt gut, da ihr mittlerweile sehr viel mehr Struktur in den Folgen habt und wie ich finde die größte Stärke von Stayforever ist den Hörer mit auf eine Reise zu nehmen und so durch das Spiel zu führen. Daher gefallen mir die Passagen wo der Spielablauf geschildert wird besonders gut.

Gut fand ich auch, dass ihr auf das Weltbild des Spiels eingegangen seid. Das vergegenwärtigt man sich als Spieler glaube ich viel zu selten sowas.

Eine kleine Sache noch die ich zu mäkeln hätte: im Zusammenhang mit dem Weltbild sprecht ihr davon, dass das Spiel ein darwinistisches Weltbild darstellen würde. Das ist jedoch eine der größten und auch gefährlichsten Fehlinterpretationen Darwins, da Darwin nicht das Überleben des stärkeren propagiert hat sondern das Überleben des am besten angepassten. Was ihr meintet ist Sozialdarwinismus. Dessen schlimmsten Auswüchse sich im Faschismus des frühen 20. Jahrhunderts zeigten und heute ja leider wieder an der Tür anklopfen. Ich denke auch, dass der Sozialdarwinismus für sehr viele real existierende Probleme die wir heute so haben, auch wenn er nicht immer in Faschismus mündet, verantwortlich ist.

Wobei es nicht so unpassend ist, da meine Theorie ja ist, dass 4X Spiele in fast jedem so ein wenig den inneren Faschsisten rauskehren, denn gerade in Civ macht das nukleare einäschern des Gegners durchaus eine gewisse Freude.

Wie gesagt tolle Neuaufnahme der Folge, den einen Punkt wollte ich nur loswerden.

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Bin jetzt auch durch und habe ein paar Gedanken und Anmerkungen, wahrscheinlich komme ich aber nicht dazu, die am Stück runterzuschreiben.

Ich war ehrlich gesagt etwas erstaunt, wie nonchalant @Chris seinen Atomkrieg in seinem Amerikaner-Spiel dargestellt und besprochen hat. Und jetzt bin ich neugierig: War ich denn der einzige, für den dieser Atombombenabwurf damals eine ziemlich beeindruckende Sache war, und zwar nicht im Gung-Ho-Sinn? Ich saß da vor meinem ersten Bombenabwurf sicherlich einige Sekunden vor dem Rechner und fühlte mich etwas mulmig, im übertragenen Sinn auf den „roten Knopf“ zu drücken. Wir reden hier schließlich von Anfang der 90er, der Kalte Krieg saß uns allen noch sehr in den Knochen, als Atombombenabwürfe gab es nur die drastischen Vorbilder aus dem Zweiten Weltkrieg.

Ich meine mich auch zu erinnern, dass Civ 1 sich da durchaus auch Zeit genommen hat, mit einer eigenen Animation, die durchaus auch nochmal klargestellt hat, dass hier nichts Alltägliches passiert. Vielleicht war das aber auch mein persönliches Befinden und Christian hat das damals nicht so empfunden, oder aus der Rückschau nicht mehr so, aber ich fand jetzt beim Hören dieses verniedlichende „Ja, und da kann ich mal ein Bömbchen auf Theben fallen lassen“ tatsächlich etwas unangenehm.

Aber darum soll es gar nicht gehen, die Folge war super, ich will hier nicht rumkritteln. Wie gesagt meine Frage wäre, ob ich da mit dieser Erinnerung und diesen Skrupeln alleine war oder ob es anderen ebenso ging?

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Bist da nicht alleine. Finde Atombomben bzw. Atomtod höchst faszinierend und gleichermaßen unendlich gruselig und habe da auch in nahezu allen Spielen Respekt davor (sowas wie ein Defcon ist bspw. extrem eindrücklich und bedrückend) - liegt aber vielleicht auch daran das uns als Kindern noch beigebracht wurde welches Sirenensignal wie lange ertönen muss das es als Hinweis auf einen Atomschlag gedeutet werden kann. Habe dazu also irgendwie mehr Bezug als zu irgendwelchen Phalanxen und Streitwägen.

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Sehr schön die Intro nacherzählt. Der erste Civ-Teil hatte einfach die beste Intro, da wurde der ganz große Bogen von der Entstehung des Universums bis zum Menschen gespannt, und das hat einen dann durchs ganze Spiel geleitet bis zum Bau des Raumschiffs für Alpha Centauri, das man in Civ 1 ja noch wirklich auf einem eigenen Baubildschirm in ganz unterschiedlichen Konfigurationen bauen konnte (mehr Kolonisten rein bedeutete längere Bauzeit, aber dafür auch einen höheren Score, und es gab auch eine Erfolgswahrscheinlichkeit in Prozent – ein zu früher Start konnte also auch schiefgehen!).

Das habe ich in späteren Civs immer ein bisschen vermisst, da war alles viel kleinlicher, irdischer als in Civ 1, das noch diesen Subtext von Staunen und Wunder hatte.

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Ach, das mit den Eisenbahnen ist voll glaubhaft, imho. Ob das eine direkt zum anderen geführt hat, oder ob die Rolle von 1830 größer war, ist ja wurscht - festzuhalten ist, Sid hat aus seiner Jugend eine Faszination für Eisenbahnen mitgenommen, die über das hinaus geht, was Kinder sonst haben. Hat das direkt zu RRT geführt, hat das zu 1830 geführt, was dann die Voraussetzung für RRT wurde? Am Ende egal, oder?

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Zu der Sache mit den „Anführern“ und der generellen Suspension of Disbelief: Ich bin da eigentlich generell schon im Lager von Gunnar, das mir sowas sehr wichtig ist und empfinde Stalin umgeben von Mongolen auch als nicht besonders inspirierend.

In der Hinsicht fand ich ja ehrlich gesagt die fortschreitenden und veränderten Leader-Grafiken von Civ3 als absolut herausragend. Das löst zwar die Metapher immer noch nicht logisch auf, aber der germanische Stammesführer oder mittelalterliche deutsche Fürst, der eben die Gesichtszüge von Bismarck trug, oder Gilgamesch und Pachacuti im Anzug, das gab einem viel stärker das Gefühl, sich tatsächlich voll und ganz in einem Zeitalter zu befinden. Außerdem war es einfach ein sehr cooles Gedankenspiel. „Wie hätten denn US-amerikanische Anführer in der Antike ausgesehen?“

Leider haben sie das so bis auf Civ3 nie fortgeführt sondern sind wieder komplett zu der Metapher der klassischen Bilder zurück. Die wurden dann grafisch immer aufwändiger und animierter, aber mir fehlt da jedes Mal etwas.

Bei den Einheiten bin ich etwas leidenschaftsloser, wenn eine Einheit nunmal „1. Reiterei des Reiches“ heißt, dann ist das immer noch dieselbe Einheit, auch wenn die Mitglieder ausgetauscht und die Ausrüstung leicht modernisiert wurde, auch über 200 Jahre hinweg. Unlogisch wird es natürlich da, wo diese Einheit sich auf einen Feldzug begibt, der 200 Jahre dauert.

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Ja glaubhaft ist das und vermutlich auch „wahr“ indem Sinne, dass es Sid selber glaubt. Es ist halt sensemaking- machen wir alle; ständig. Das ist super funktional aber nicht immer objektiv richtig.
Es erzählt halt eine gewisse Geschichte; das Narrativ vom großen Genie, dass aus dem nichts etwas Neues schafft, oder aus den eigenen Erfahrungen und da finde ich es sehr wichtig, dem auch eine andere, prosaischere, Narration zur Seite zu stellen.

Zugegeben, Civilization gilt inzwischen als Strategie-Klassiker. Ich konnte aber gerade mit diesem Spiel überhaupt nichts anfangen, aus den Gründen, die in eurer Besprechung auch genannt wurden. Mir erschien es zu oberflächlich. Es war der krampfhafte Versuch, die ganze Weltgeschichte in ein Spiel zu packen und in eine bestimmte Mechanik hinein zu pressen. Normalerweise war ich immer ein großer Fan der Spiele von Microprose, weil diese sehr sorgfältig entwickelt wurden und mit exzellenten Handbüchern ausgestattet waren. Viele der Microprose-Spiele hatten auch einen historischen Bezug, bei dem man was lernen konnte. Beispielsweise waren Pirates! und Silent Service richtig starke Spiele von Sid Meier. Diese zählten zu meinen absoluten Lieblingsspielen, mit denen ich viel Zeit verbracht habe und dabei auch was gelernt habe. Der Clue war, dass wenn man sich mit den historischen Hintergründen dieser Spiele befasste, zu denen man in den dicken Handbüchern von Microprose viele interessante Informationen fand, auch seine Spielweise verbessern konnte. Das war auch bei den vielen Microprose-Militärsimulationen genial. In Civilization fehlte mir das aber völlig, weil hier die Weltgeschichte zufallsgeneriert, völlig verdreht und auf den Kopf gestellt wird. Schon die „Auswahl“ der Staatsführer ist ja völlig daneben. In einem rein fiktiven Szenario hätte ich Civilization als Spiel akzeptiert, nicht aber mit den verdrehten Bezügen zur Weltgeschichte, die es tatsächlich wie ein Witz-Spiel erscheinen lassen und hier vermutlich rein aus Vermarktungszwecken eingebaut wurden, um das Spiel populär zu machen. Die Rechnung ging für Sid Meier ja auch auf und das Spiel erreichte riesige Verkaufszahlen. Aber es wurde eben ein typisches Spiel für den Massenmarkt, wogegen ich schon damals eine Abneigung hatte. Mag sein, dass Civilization aus technischer Sicht als Meilenstein gilt. Das erste groß angelegte rundenbasierte Strategiespiel, in dem erstmals ein nennenswerter Technologie-Baum enthalten war. Das hatte durchaus Einfluss auf nachfolgende 4X-Rundenstrategiespiele. Trotzdem glaube ich, dass Civilzation als Spiel ziemlich überschätzt wird. Sid Meier hat weitaus bessere Spiele gemacht. Ich verbringe meine Zeit lieber mit Alpha Centauri und Master of Orion II (auch von Microprose). Interessant fand ich in dieser Folge vor allem die Besprechung der internen Firmengeschichte von Microprose. Ich hätte mir nie gedacht, dass es da solche extremen Spannungen gab. Vielen Dank dafür.

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Ich finde und fand gerade die „zufallsgenerierte Weltgeschichte“, wie du es nennst (ich würde es eher „selbstgespielte, alternative Weltgeschichte“ nennen), das Faszinierendste an Civilization. Gerade im ersten Teil habe ich sehr gerne eine komplett selbsterstellte, erfundene Zivilisation gespielt (Nomen, Adjektiv und Anführername konnte man ja frei vergeben). Oder ich habe auf der echten Weltkarte, die in Civ 1 noch ein eigener Menüpunkt im Hauptmenü war und ein viel stärkerer Anker als in späteren Spielen, eine der vorgegebenen Zivilisationen als alternative Geschichte gespielt („was wäre, wenn die Zulus Amerika entdeckt und besiedelt hätten?“). Alternative History ist ja auch in der Literatur ein beliebtes Genre, in Civ 1 konnte man das erstmals selbst nachspielen.

Die Anführer-Grafiken waren aber wohl wirklich eine Anbiederung an den Massengeschmack, da musste ich in Civ 1 auch bereits drüber hinwegsehen und fand das eher lächerlich. Leider haben sie das in späteren Teilen sogar noch ausgebaut, sodass jetzt die Anführer sogar bestimmte Fähigkeiten mitbringen (anstatt die Zivilisation an sich) und alles an den Anführern hängt. In Civ 6 kann man nicht mal mehr einen eigenen Namen für die eigene Zivilisation vergeben. Auch sind einige der wirkmächtigsten Elemente des ersten (und teilweise auch des zweiten und dritten) Teils in späteren Serienteilen entfallen, wie z.B. der Palastbau, die Stadtgrafiken, die Technologie-erforscht-Screens („Die weisen Männer entdecken die Bronzeverarbeitung“), die Weltwundergrafiken bzw. -filme im zweiten Teil etc. Das nimmt den späteren Teilen dieses epische Gefühl des ersten Teils, die Weltgeschichte neu zu schreiben.

Spielmechanisch sind die neueren Teile natürlich überlegen, Civ 1 und 2 könnte ich mir heute nicht mehr antun, erst mit Teil 3 wurde das Ganze mechanisch gesehen eine runde Sache (vor allem durch Kultur, Grenzen und strategische Ressourcen). Teil 5 halte ich spielmechanisch für den besten Teil der Serie, Teil 6 ist leider ziemlich vercasualt worden. (Beurteilung jeweils basierend auf dem kompletten Spiel inkl. aller Expansions.)

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