Amiga OS
Die Workbench 3.0/3.1 auf dem Amiga 1200 war schon der Wahnsinn, auch optisch, und so erweiterbar. Zum Glück habe ich meine alte Amiga Festplatte damals auf den PC kopiert, für WinUAE, bevor ich den A1200 verkauft habe. Auf dem MiSTer FPGA konnte ich meine Platte von damals auch einbinden.
So sah bei mir zum Beispiel AmIRC aus, immer noch das beste IRC Programm:
So sah damals meine Workbench auf dem A1200 aus. Ja ich weiss, etwas peinlich mit dem Manga Bild und den Verzeichnisnamen. Ich wollte damals irgendwie cool sein wie die Vorbilder aus der Demo- und Crackerszene, und habe alles mit diesem Kauderwelsch aus Gross- und Kleinschreibung benannt („Cool Speak“ oder wie das in der Szene hiess). Im Nachhinein ist das völlig affig 
Ein Copper Farbverlauf war auch möglich, dank dem Programm WBVerlauf. Die Workbench hat Gebrauch von den Grafikchips des Amiga gemacht, zum Beispiel wenn man Fenster oder Icons verschoben hat. Das ging alles ohne Verlust von CPU Rechenzeit. Bei Windows 95 dagegen ging die CPU in die Knie, während man ein Icon verschob. Das fand ich damals schon ziemlich peinlich. Moderne Betriebssysteme wie Windows 11, MacOS 10 oder Linux (Wayland) machen natürlich auch guten Gebrauch von der GPU. Aber damals war das auf dem Amiga schon eine Besonderheit.
Die Erweiterbarkeit der Workbench war irre. Mit Programmen wie MUI, MagicWB, MCP, Toolmanager, ScalOS, Cycle2Menu und vielen anderen Tools, die es im Aminet oder auf Fish Discs gab, konnte man das Aussehen und Verhalten sehr fein anpassen. Das alles funktionierte mit nur 16 Farben. MacOS oder Windows 11 sind dagegen vom Design sehr steril und langweilig geworden, und trotzdem laufen sie immer noch nicht performant. Man bedenke, dass die modernen Betriebsysteme mit weniger als 8 GB RAM und 1 GHz CPU langsam wie eine Schnecke laufen. AmigaOS dagegen lief mit 10 MB (2 MB Chip und 8 MB Fast) RAM und einer 14 MHz CPU (!) dagegen schnell wie eine Rakete.
Vergleich Amiga zum Rest der Welt
Auf der einen Seite liebe ich moderne Computer, gerade auch, weil mir dank Emulation die alten Systeme erhalten bleiben. Aber andererseits blicke ich auch mit Wehmut auf die Amiga 1200 Zeit zurück.
Beispiel 1
Als erstes Beispiel nenne ich die Tatsache, dass das Script, was beim Starten des Computers ausgeführt wurde, einfach Startup-Sequence
hiess. Man konnte das mit einem Texteditor wie dem genialen CygnusEd (bester Editor?) editieren. Man versuche das mal bei Linux, MacOS, oder Windows zu finden. Bei Linux gibt es diese ultrakomplizierten Runlevels oder wie sie heissen, die noch aus der Grossrechner und Terminalzeit aus den Siebzigern stammen. Bei MacOS und Windows hat man als User gar keine Kontrolle über den Bootvorgang. Das ist alles unnötig kompliziert. Beim Amiga hat man kurz die startup-sequence oder, noch instruktiver, die user-startup geändert, und fertig. Es ist wie bei einem alten Auto, wo man noch selber am Motor schrauben kann.
Beispiel 2
Als zweites Beispiel hebe ich hervor, dass man beim Amiga, selbst wenn der Bootvorgang komplett abgebrochen wurde, ein AmigaDOS in einem Fenster (!) bekam, mit hardwarebeschleunigtem Mauszeiger, Fensterrahmen, denn man vergrössern und verkleinern konnte, und allem drum und dran. Die GUI war also immer vorhanden, im ROM. Bei Windows und Linux bekam man dagegen einen reinen hässlichen Textbildschirm, entweder in diesem MS-DOS Look aus den Achtzigern, oder eine Linux Shell, auch im MS-DOS Look. Bei Mac ging in diesem Fall gar nichts da kam nur so ein unglückliches Smiley Symbol. Nur der Amiga hat einem selbst bei fehlendem Bootvorgang ein Fenster gezeigt:
Beispiel 3
Ein drittes Beispiel: Der anpassbare Bootvorgang erlaubte mir beim Amiga 1200, eine Animation einzublenden, die mir die Specs meines Computers anzeigt, mit einer animierten Schrift und einem Bild, was wunderschön flüssig ein- und ausgeblendet wird:
Das Freeware Programm aus dem Aminet dafür heisst syspic
, ist gerade mal 24 kB gross, und benutzt die Amiga Customchips für die Animation. Das beigelieferte Bild AWScbm.ilbm, ist gerade mal 27 kB gross, und das vorgefertigte Script awscbm.script ist 990 Bytes lang. Der simple Eintrag, den ich in die Startup-Sequence hinzufügte lautete
sys:c2/syspic cdh0:tools2/syspic/demos/awscbm.script
(Man beachte, dass Laufwerksnamen länger als ein einziger Buchstabe sein können, also cdh0:
statt wie bei Windows nur C:
oder D:
, seufz)
Wie sieht das dagegen bei modernen OS aus? Windows 11 sieht so aus:
MacOS sieht inzwischen so aus:
Ich glaube langweiliger und deprimierender geht es kaum.
Beispiel 4
Als viertes Beispiel sei erwähnt, dass die Verzeichnisse auf dem Amiga einleuchtende Namen hatten wie Devs
Libs
usw. sogar mit Gross- und Kleinschreibung und oft mehr als acht Zeichen! Bei Linux gibt es dagegen usr
lib
bin
usr/bin
, usr/local/bin
usw. Das ist alles so verwirrend abgekürzt, dass man sich ein 52 Seiten langes Reference Manual durchlesen muss, bis man diese unlogische Linux Filesystem Hierarchy
versteht. Die geht auf wenig durchdachte Entscheidungen aus den Siebzigern zurück, die heute keinen Sinn mehr ergeben, aber im Nachhinein rationalisiert und standardisiert wurden, mit einer gehörigen Menge Cruft. Zum Beispiel wird im Dokument davon abgeraten, bestimmte Verzeichnisse zu benutzen, weil sie deprecated sind, aber viele grosse Linux Distros verwenden sie weiterhin.
Link:
(viel Spass beim Lesen und an den Kopf fassen).
Bei Windows und MacOS sind die Standardverzeichnisse inzwischen völlig chaotisch ohne Sinn und Verstand. Bei MacOS gibt es zwar Applications
und User
aber auch trotzdem noch dev
, etc
, bin
, opt
usw., also eine Mischung aus logisch, leserlich, modern und unlogisch, unleserlich abgekürzt, und auf die Siebziger zurückzuführen. Bei Windows gibt es sowas wie das offizielle Verzeichnis C:Users\rsn8887\Saved Games
wo man denkt, Spiele speichern dort, machen sie aber explizit nicht 
Fazit
Es gibt noch dutzende solcher Beispiele, die beweisen, dass damals beim Amiga 1200 das Arbeiten am eigenen Betriebsystem richtige Freude bereitet hat, während es bei modernen Betriebsystemen entweder nervige Arbeit und Frust bedeutet, oder gar nicht mehr möglich ist. So sehe ich das zumindest. Ich freue mich über jedes Gegenargument 