Das war eine ziemlich treffende Analyse von Deus Ex. Ich bin froh, dass ihr dieses große Thema nochmal ausführlich besprecht, wobei hier eine Menge interessanter Fragen diskutiert werden.
Ich habe mich mit dem Spiel nicht ganz so intensiv auseinandergesetzt, habe es aber mit Begeisterung durchgespielt, obwohl mich das Agenten-Setting mit Weltverschwörungen usw. damals anfangs überhaupt nicht interessiert hat und die Sprachausgabe leider auch nicht auf deutsch übersetzt wurde. Trotz dieser Vorbehalte habe ich mich auf Deus Ex eingelassen und erlebte dabei einige meiner intensivsten Spielerfahrungen. Im weiteren Spielverlauf hat mich Deus Ex dann aber immer stärker in seinen Bann gezogen, ähnlich wie die beiden Thief Spiele von Looking Glass. Die abwechslungsreichen Missionen innerhalb einer dystopischen SF-Story waren durchaus packend. Ich erinnere mich noch gut an die markanten Szenen wie den Battery Park in New York, der mich zu Spielbeginn gleich richtig abgeholt hat. Aber auch die Mission auf dem Frachtschiff war etwas, das ich bis dahin noch in keinem Spiel so bewegend erlebt habe. Nur die Schauplätze in den Städten kamen mir ziemlich beschränkt vor. Hier hätte man sich besser auf einen oder zwei verschiedene Orte konzentriert, anstatt die Story auf so viele verstreute kleine Umgebungen zu verteilen, die dann räumlich einfach zu reduziert waren, um realistisch wirken zu können. Tatsächlich finde ich am Besten an diesem Spiel (wie in Thief) die taktische Auswahlmöglichkeit, entscheiden zu können, ob man mit reiner Gewalt vorgeht oder mit List und Geschick. Als Thief-Fan habe ich in Deus Ex natürlich überwiegend die listige Methode angewendet.
Definitiv würde ich Deus Ex auch als Shooter mit Rollenspiel-Elementen bezeichnen, weil die RPG-Elemente in Deus Ex eben nicht so stark ausgeprägt sind. Was die Komplexität betrifft, ist Deus Ex wahrscheinlich das einzige Spiel, das es mit System Shock II aufnehmen kann. Mich hat neben der dichten Atmosphäre die Unmenge an Möglichkeiten fasziniert, durch die man seine Fähigkeiten und seine Waffen verbessern kann. Durch die etwas offenere Spielumgebung und die Interaktion mit NPCs hat mir Deus Ex sogar besser gefallen als System Shock II, denn System Shock II war im Grunde genommen nur Survival Horror auf sehr begrenztem Raum, wo es keine so ausgefeilte Story zu erleben gab. Deus Ex hat mich mehr gepackt. Es bietet mehr Story-Potential, auch wenn dieses nicht optimal ausgeschöpft wird. Einen wirklich alternativen Verlauf der Story kann man durch eigene Entscheidungen eigentlich nur am Ende des Spiels bewirken, wo Deus Ex dann drei mögliche Endszenarien präsentiert. Deus Ex hat unheimlich viel zu bieten, auch was die Länge des Spiels angeht und gerade diese Länge über viele Stunden hinweg, habe ich als große Bereicherung empfunden und nicht als Kritikpunkt. Die relativ kurze Spieldauer des Nachfolgers Deus Ex 2 war dann auch einer der wesentlichen Gründe, warum ich den Nachfolger nicht mochte. Ich kann gut verstehen, dass die Deus-Ex Fans den zweiten Teil nicht mochten. Er war in fast jeder Hinsicht reduziert worden und wirkte nur wie ein schwacher Schatten des Vorgängers. Ähnlich verhät es sich übrigens mit Thief III, das seinen beiden legendären Vorgängern von Looking Glass aus meiner Sicht in keiner Weise gerecht wurde. Große Titel wurden hier zu mittelmäßigen Nachfolgern verbraten, in denen ein großer Teil der Motivation auf der Strecke blieb. Ion Storm war in dieser Hinsicht eine herbe Enttäuschung. Ich vermute, dass dies vor allem mit den implizierten Umsetzungen auf Spielkonsolen zusammenhängt, die auf PC-Spiele schon immer einen schlechten Einfluss gehabt haben.
Für mich bildet Deus Ex eine Erinnerung an die goldene Zeit um die Jahrtausendwende, als so viele gute, ambitionierte und neuartige PC-Spiele auf den Markt kamen. Spiele wie System Shock, Thief 1+2 und Deus Ex bleiben für mich unvergesslich. Keines von ihnen hat seinen Unterhaltungswert eingebüßt und auch technisch (grafisch) sind sie so weit entwickelt, dass sie niemals wirklich alt aussehen werden. Im Gegensatz zu ihren Nachfolgern und den heutigen vergleichbaren Spielen, können sie immer wieder gespielt werden, anders als lineare Shooter wie Half Life, die für mich nach dem ersten Durchspielen keine Motivation mehr zu bieten hatten.