Tatsächlich finde ich es bei Spielen viel schwieriger als etwa bei Filmen oder gar Musik sowas wie ein Guilty Pleasure zu finden. Das kommt vermutlich meist durch ihre Länge und die Komplexität ihrer Rezeption, sprich ihre Interaktivität. Soll heißen, Spiele mit denen ich mich lange genug beschäftige, haben vermutlich auch ein gewisse grundlegende Qualität bzw. zocke ich wohl hauptsächlich Titel, die in der allgemeinen Wahrnehmung als gut gelten.
Guilty Pleasures laufen für mich meist unter „geistlos, aber lustig“ oder „haben ganz bestimmte, reizvolle Stärken, dass ich die offensichtlichen und eigentlich überwiegenden Schwächen hinnehmen kann“ oder „so blöd, dass es gut ist“. Ich würde auch nicht sagen, dass es nur Werke betrifft, die irgendwie gegen eine Massenmeinung anstehen, weil oft schließt das Sachen ein, die eben sehr populär sind. Im Filmbereich wären das bei mir zum Beispiel die Fast & Furious-Reihe oder 80er Macho-Actionkino. Ich feiere die persönlich (bis zu einem Grad) , bin mir aber über diese Subjektivität und wie gesagt deren Unzulänglichkeiten absolut im Klaren, weswegen ich sie, wenn überhaupt, nur unter starken Vorbehalten empfehlen würde.
Das ist vermutlich der „schuldige“ Anteil dahinter: Man konsumiert und unterstützt damit etwas, dessen Qualität in der Gesamtsumme keine Unterstützung verdient.
Deswegen ist das vermutlich auch vor allem ein Begriff für Menschen, die ausgiebig über die Medien reflektieren, welche sie so konsumieren.
Sowas funktioniert narrativ oder bei etwas abstrakterem wie Musik schon eher. Bei Videospielen muss die spielerische Komponente aber einen gewissen Reiz haben, sonst bleibe ich ja nicht dran, weil ich nun mal selbst die handelnde Person bin.
Bevor ich das aber wieder mal überanalysiere, sind mir doch noch ein paar Beispiele eingefallen. Allen voran alte Beat’em ups, sofern ich sie mit Quick Save oder unendlichen Continues/Credits spiele. Ich mache diese Differenzierung ganz bewusst. Denn spielmechanisch sind die Pionierwerke aus dem Genre wie Final Fight noch äußerst simpel, aber trotzdem schwer bis unfair, weswegen ich nicht die Muße habe, mich da ernsthaft einzuarbeiten. Wenn ich aber praktisch keine Bestrafung erfahre, dann kann man sich da mal 'ne Stunde lang hirnlos durchprügeln. Das ist dann schon das spielgewordene Äquivalent zum besagten 80er-Actionkino. Allerdings müssen auch diese Titel wenigstens ein befriedigendes Spielgefühl und eine audiovisuell stimmungsvolle Umsetzung abliefern, sonst bin ich ganz raus. Deswegen kann ich auch gar nichts mit Double Dragon anfangen (dessen grottige Filmumsetzung übrigens eines meiner liebsten Film-Guilty Pleasures ist), weil das hässlich ist und keinen Spaß macht.
Modernere Vertreter - und das schließt bereits einige aus den späten 90ern ein - haben jedoch oft genug Spieltiefe, um sie als ernsthaft gute Spiele zu deklarieren. Von daher muss ich den Begriff hier wieder einschränken.
Sich mit modernen Hilfsfunktionen durch knüppelharte Klassiker zu schummeln, ist aber vielleicht ganz allgemein ein Guilty Pleasure von mir. Ich liebe zum Beispiel die Castlevania-Reihe für das Setting, die Musik und tolle Einfälle bei Leveldesign und Gegnern. Aber mich nochmal durch diese oldschoolig erbarmungslosen Spielen zu ackern? Nee, nee! Da liegt die „Schuldigkeit“ also wohl eher in meiner Herangehensweise als in vermeintlichen Unzulänglichkeiten der Titel.
Und weil ich gerade noch dabei bin, sie alle wieder durchzuspielen: Die Uncharted-Reihe. Das wirkt natürlich etwas vermessen, weil die einen enorm guten Ruf haben und das teils zurecht. In meinen Augen haben die jedoch einige eklatante spielerische Schwächen, weswegen ich da einfach auf 'nem niedrigen Schwierigkeitsgrad durchfege und so eine sympathische, aber (oft auch erzählerisch) stumpfsinnige Action-Abenteuer-Achterbahn bekomme.
Ach so, und dann fällt mir da noch der „Yakuza-light“ Story-Modus von Street Fighter 6 ein. Der ist spielerisch ziemlich grindy und inhaltlich hanebüchen und sieht dazu auch noch teils bizarr aus, mit seinen verrückten, puppenartigen Editor-Figuren. Aber ich liebe die Stimmung und den Trash-Faktor einfach und finde den Modus mega charmant.