Das denke ich mir nicht aus: Das waren früher die Bedeutungen - kein Mensch hat „ganze fünf Punkte“ gesagt, wenn er sagen wollte, dass das viele Punkte sind. Ist interessant, wie gründlich das verschwunden ist.
Ich bin gerade bei Verwandten in Schleswig-Holstein und hier sagen die älteren Leute alle „Ich erinnere das…“ - vermutlich also doch eine regionale Variante, wie vermutet.
vielleicht sind 5 Punkte nach der 3-Punkte-Regel auch einfach viel weniger Punkte als DAMALS, DA waren 5 Punkte noch mehr als 2 gewonnene Spiele…
…
ach, alles ist prekärer, besorgter, unsicherer geworden, alles geht ganz schnell den Bach runter, früher wollte niemand irgendwas „heute noch“ bekommen, ging ja gar nicht, mußte man ja in die Post stecken… alle sind so nervös geworden
Ich stell mir grad den Herr Lott vor, wie er in Schleswig-Holstein durch die Kneipe geht und alte Menschen anspricht und sagt „Wie war denn das früher so hier?“ und immer wenn einer der alten „Ich erinner das…“ sagt klickt er auf dem zählomat einen höher.
Gut möglich, allerdings habe ich diese Formulierung die ersten dreißig Jahre meines Lebens lang nie gehört - in meinem Teil Schleswig-Holsteins war das also unüblich. Vielleicht so ein Nordseeküstending, da spricht man ohnehin anders.
Genau so mache ich das.
Ich bin an der Ostseeseite, Herr Thomsen. Und rede mit meinem Lübecker Onkel.
Drehst Du ihnen dann auch Zigaretten, nachdem nach Du Dich dazu gesellt hast?
Das gibt’s woanders auch.
„But if you are the kind of person who cries out against this abomination we must warn you that people who go through life expecting informal variant idioms in English to behave logically are setting themselves up for a lifetime of hurt.“
Da hast Du mich hart abgeholt. Ich liebe die Bilder, die dieses Album bei mir erzeugt. In Zukunft wird in denen womöglich auch Gunnar vorkommen
Also in der SH-Gegend westlich von Hamburg gibt es beides. Gefühlt erinnert „man sich“ hier etwas häufiger, aber ich kenne auch einige Leute, die „das erinnern“.
Aber speziell bei alten Leuten ist mir „ich erinnere das“ eigentlich noch nie aufgefallen. Da bin ich also auf Henners Seite.
Hauptsache es erinnert sich überhaupt noch jemand
Hauptsache es erinnert überhaupt noch jemand FTFY
Das bestreite ich ja gar nicht. Ich fragte mich nur wie die Deutungen zustanden kommen. Leider finde ich beim spontanen googeln nur eine Kolumne vom allseits beliebten Sick, der aber leider keinerlei Erklärung liefert, nur Beispiele aneinanderreiht bei denen sich die Verwendung des jeweils anderen Wortes komisch anhört.
Naja, es wird mein Leben nicht massiv negativ beeinflussen nicht zu wissen woher das kommt.
Ein bisschen late to the party, aber hier meine two cents: Bastian Sicks Kolumnen sind wirklich, wirklich schwierig. Sie strotzen vor Halbwissen, Fehlern und unpassenden Vergleichen – aus linguistischer Sicht ist da vieles nicht haltbar. Wer daran interessiert ist, kann mal Sick of Sick von André Meinunger lesen.
Und wer generell an Sprache und Linguistik interessiert ist, dem empfehle ich den Fussballlinguist auf TikTok. Ein super Kanal von nem Linguistik-Prof., der unterschiedlichste Themen auf einfache, verständliche und kompetente Art rüberbringt.
Gerade im Hörbuch von Atze Schröder, der alten Ruhrpottrampensau: „Ich erinnere, dass …“
Tja
In der Zeit, als Bastian Sick so richtig in aller Munde war, habe ich das großartige Bremer Sprachlog von Anatol Stefanowitsch gelesen. Das war auch häufig Sick-Ideen-kritisch und stand für eine lebendige Sprache ein. Das Blog war sicherlich der Anfang meines heutigen amateurhaften linguistischen Interesses.
Und Stephen Fry hat seine Kritik am Sprachpurismus auch mal sehr schön zum Ausdruck gebracht.
Da beschreibst du basically linguistische Mundartforschung. So hab ich während des Studiums mehr Zeit verbracht als mir lieb war.
Ich kann eventuell noch beisteuern, dass ich Anfang der 2000er bei Spiegel Online hospitiert habe und in einem Raum mit Bastian Sick saß, noch bevor er sein Name in der Öffentlichkeit war.
Ich habe ihn als sehr sympathischen, sehr hilfsbereiten und sehr reflektierten Menschen wahrgenommen. Er hat sich eben, so wie ganz viele Leute in diesem Thread hier, um Sprache Gedanken gemacht (das war ja übrigens auch sein Job, er kam ja aus der Spiegel-Abteilung, die anschließend Texte lektoriert und auch inhaltlich geprüft hat, ein Luxus, den sich schon zu damaliger Zeit fast kein Medium mehr geleistet hat, und der heute sehr viele Medien sehr gut tun würde).
Eventuell ist da also auch was gekippt in den kommenden Jahren: Wie hier schon auch im Thread erwähnt wurde aus hilfreichen Ideen und Ratschlägen, sich um Sprache Gedanken zu machen, dann so ein Dogma. Ich kann aber jetzt nicht sagen, inwieweit das Bastians Verschulden war, oder seine flapsig-angrifflustigen Glossen auch von der Öffentlichkeit zu etwas gemacht wurden, was sie nie sein sollten und was sie auch nicht sein konnten.
Von Wolf Schneider kursieren auch bis heute „Gesetze“ und Regeln, wie korrektes journalistisches Deutsch zu sein hat. Klar, wenn da komplette Jahrgänge durch so eine Schule gehen - das prägt natürlich. (Es gibt ja mittlerweile sogar eine „Wolf-Schneider-KI“, mit der man sich journalistische Texte von einer KI lektorieren lassen kann, nach den Grundsätzen, die er aufgestellt hat).
Insofern wäre wohl die Quintessenz aus all dem: Jeder hat und kann und darf so seinen Regel-Kanon haben, solange man sich vielleicht bewusst macht, dass es am Ende doch immer auch noch einen gewissen Anteil an subjektivem Geschmack beinhaltet.
Ich habe mir von Bastian damals vor allem die Abneigung gegen „Sinn machen“ übernommen, das pflege ich auch bis heute, aber ich korrigiere da keine Leute mehr, sondern mir persönlich ist „Sinn ergeben“ oder „sinnvoll sein“ einfach ins Blut übergegangen. Ich versuche eine halbwegs gesunde Distanz zu Anglizismen, wenn ich den Eindruck habe, dass sie eigentlich nur dazu da sind, um irgendwas zu verschleiern oder cool zu machen („Event“ als Ersatz für ne Veranstaltung wäre so ein Ding), aber selbstverständlich ist meine Sprache durchsetzt mit Anglizismen, und das ist auch völlig okay so.
Mein aktueller Lieblingsaufreger ist dieses um sich greifende „in 2024“, was aus meiner Sicht ebenfalls komplett aus dem Englischen übernommen wurde, weil im Deutschen heißt es entweder „im Jahr 2024“ oder einfach ganz schlicht „2024“, „wir sind 2024 kein Stück weitergekommen“, „wir müssen 2024 mehr Umsatz machen“, o.ä., etc.
Gleichzeitig ist mir sehr bewusst, dass all das Prozesse sind, die niemand aufhalten kann. 2060 wird unsere Sprache anders aussehen und sich verändert habe. Das ist so. Ich muss da trotzdem nicht allem in vorauseilendem Gehorsam erliegen, aber ich will auch nicht der keifende alte Typ sein, der darüber meckert, dass Sprache heute verschandelt sei.
Da ist mein Lieblingsbeispiel immer das Gedicht „Der Teutsche Michel“ von 1642, wo sich jemand darüber echauffiert, dass die deutsche Sprache komplett verschandelt und verunstaltet sei, mit fürchterlichen neumodischen, flapsigen und fremdländischen Begriffen wie… attackieren, balsamieren, zitieren, diffamieren, exkludieren, Kapitän, Parlament, Harmonie, Fresco, Komödiant, Allianz und so weiter. Also Begriffe, die heutzutage teilweise sogar eher wieder wie universitäre Gelehrtensprache wirken. (Das Gedicht ist sehr lang, ich kann das jedem nur empfehlen. Es endet mit „Gedruckt im Jahr da die deutsche Sprach verderbt war, 1642“).
Klingt aus heutiger Sicht absolut großartig. Insofern, ich werde mich dann 2060 wohl auch an „performen“ gewöhnt haben…
„In 2024“ hasse ich auch wie die Pest, gerade weil es einfach zwei Buchstaben und ein Leerzeichen zu viel sind. Aber selbst Jörg Langer neigt zu dieser grässlichen Form.
„Liebe alle“ find ich dagegen ganz praktisch, weil höflicher als „Hallo miteinander“ und nicht so lang wie die anderen Alternativen, die mir bislang so einfielen.