Boah, bist du fies!
Alter, jetzt bin ich neugierig - was zum Nyarlathotep ist denn mit dem Cthulhu-Spielbuch verkehrt!?
Ich zitiere ein weiteres Mal aus meiner damaligen Amazon-Rezension.
Umso frustrierender ist es nun, was Mantikore mit Choose Cthulhu 1 dem Leser zumutet.
Beginnen wir mit der gewählten Erzählstruktur: Diese hat wenig mit den üblichen Konventionen eines SPIEL-Buchs zu tun, sondern gestaltet sich als reinrassige Choose-your-own-Adventure-Geschichte ohne Regelwerk, Würfel oder Charakterbogen. An sich noch kein Problem, jedoch ist die erzählte Geschichte denkbar simpel und linear aufgebaut. Letztlich verfolgt der Leser nur einen schnurgeraden Storyschlauch, der an einigen wenigen Stellen erlaubt, die Reihenfolge der Geschehnisse zu bestimmen – mehr aber nicht. Keine interessanten Entscheidungen, kein Gefühl der Interaktion. Zwischendurch werden ein paar unmotivierte Todes- oder Wahnsinns-Gameovers eingestreut. Immerhin sind neben der „kanonischen“ Hauptgeschichte noch zwei etwas längere Nebenpfade vorhanden, die aber ebenfalls schnell und ohne viele Entscheidungsmöglichkeiten in den Tod bzw. ins Arkham Asylum führen. Besonders zu bemängeln ist hier die schon angesprochene Linearität der Erzählung. Die überwältigende Mehrheit der 111 bzw. 100 Abschnitte (dazu gleich mehr) endet in der Anweisung, beim nächsten Abschnitt weiterzulesen. Bis zu sechs Mal hintereinander. Hier wurde ganz offensichtlich nicht für ein Spielbuch geschrieben, sondern eine existierende Kurzgeschichte ein wenig verhackstückt.
Dies alles lässt sich allerdings noch als Geschmacksfrage verbuchen. Wer bei seinem Spielbuch keinen besonderen Wert auf Spielmechanik oder zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten legt, der kann mit dieser Erzählstruktur völlig glücklich werden.Weniger Toleranz zeigt der geneigte Leser zumeist jedoch bei grundlegenden handwerklichen Mängeln, hier im Sinne von fehlerfreiem Text. Und vor Fehlern strotzt das schmale Büchlein (auch dazu gleich mehr) geradezu. Der erste Klopper befindet sich bereits auf dem Klappentext.
Auf. Dem. Klappentext.
Weitere orthographische, grammatische, lexikalische oder Interpunktions-Fehler finden sich auf den Seiten 7 (mehrfach), 10, 16, 17, 22, 28, 30, 31, 41 (mehrfach), 43, 47 (mehrfach), 49, 50, 52, 56, 58 (mehrfach), 66, 79, 81 (mehrfach), 83, 84, 88, 89, 95, 96, 98, 100, 105, 109, 111, 120 (mehrfach) und 124.
Das ist für ein Buch mit 175 Seiten Umfang nicht akzeptabel. Dabei sind inhaltliche Unstimmigkeiten und inkonsistente Begrifflichkeiten wie auf den Seiten 12, 48, 49, 91, 97 und 99 noch nicht mit eingerechnet.Die sprachliche Qualität bewegt sich allgemein auf einem erschreckend niedrigen Niveau. Dieses Produkt hat merklich nie ein Lektorat bzw. eine Qualitätskontrolle durchlaufen. Unschöne Satz- und Layout-Unarten wie bis zu sechs (!) aufeinanderfolgende, teilweise falsche Trennungen am Zeilenende sind da noch die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs. Wirr verschachtelte Parataxen-Labyrinthe wechseln sich mit kindlichsten Hauptsatzreihungen ab. Ständige Wortwiederholungen und monotoner Satzbau („Du gehst… Du kletterst… Du weißt…“) sind die Regel. Holprige Einschübe durch Gedankenstriche oder Klammern machen es zusätzlich unnötig schwer, dem Sinn der Erzählung zu folgen. Die durchgehend ungelenke Wortwahl und krachend schiefe Bildsprache unterstreichen das katastrophale literarische Gesamtbild. Für den Leser fühlt es sich so an, als lausche man konzentriert einem Nicht-Muttersprachler, wie er sich radebrechend am Vorstottern einer Lovecraft-Fanfiction mit vielen schweren Wörtern versucht. Anstrengend, nicht sonderlich unterhaltsam und garantiert keine 13,95 € wert.
Wo wir schon bei der Frage des Gegenwerts sind, kommen wir nun zum Hauptgegenstand meiner Kritik: Nur 111 der ohnehin mageren 175 Seiten des Buchs werden vom Spielbuch ausgefüllt. Stolze 57 Seiten nehmen ein völlig überflüssiger Anhang sowie eine gemeinfreie Lovecraft-Kurzgeschichte ein, die in einem Spielbuch nichts verloren hat und ganz offensichtlich als massiver Seitenfüller mit ins Buch gepackt wurde. Zudem werden die 11 im Spielbuch enthaltenen einseitigen Illustrationen ohne erkennbaren Grund als eigene Abschnitte behandelt – ein beinahe verzweifelt wirkendes Manöver, um die Zahl der Spielabschnitte mit Ach und Krach auf 111 zu strecken.
Für den stolzen Preis von 13,95 € ist das völlig indiskutabel. In derselben Preiskategorie erhält man im Verlagsprogramm ziegelsteindicke Spielbücher wie Death Asylum, Destiny Quest oder den Genre-Primus Metal Heroes and the Fate of Rock mit jeweils über 1000 Abschnitten.Um der in diesem speziellen Fall wirklich irritierenden Produkt- und Preispolitik noch die Krone aufzusetzen, wird die Seitenzahl im Mantikore-Shop und allen entsprechenden Online-Portalen mit 220 angegeben. Das ist falsch. Sie beträgt 175, und da sind all die oben genannten Füller noch abzuziehen. Das Buch wird mit einem Viertel mehr Umfang beworben als tatsächlich vorhanden ist.
An diesem Punkt fällt es langsam schwer, keine planvolle Irreführung des Käufers zu vermuten.
Fhtagn! Klingt richtig übel. Danke fürs Teilen und die Warnung.
Auf jeden Fall Finger weg. Schlechtestes Spielbuch, das ich je gelesen hab.
You Can Be the Stainless Steel Rat erinnert mich vom Aufbau her sehr stark an Das Geheimnis am Ende der Treppe von Thomas Brezina. Das ist ein 320 Seiten starker Türstopper (Hardcover damals!), den ich zu einer Zeit geschenkt bekommen habe, als ich total auf Choose-your-own-Adventure-Bücher stand (auch welche mit kleineren Gimmicks - ich erinnere mich vage an eine Reihe, wo man in einem Flugzeug unterwegs war und am Anfang einen von drei Gegenständen aussuchen durfte und überdies auf den Treibstoff achtgeben musste). Das Problem an dem Schinken ist nur genau dasselbe wie bei der Stahlratte: Der Ablauf ist immer gleich. Die Verzweigungen sind glaube ich etwas elaborierter als hier, aber sie verjüngen sich dreimal wieder auf exakt dieselbe Situation (man kommt zurück zur Treppe und das nächste Familienmitglied ist in der magischen Welt hinter der Treppe verschütt gegangen), bis man am Ende schließlich durch eine Zeitschleife zurück auf die erste Seite geworfen wird.
Das hat der Stahlratte gegenüber zumindest noch ein bisschen Verzweigungsmöglichkeiten voraus, aber mehrere Enden? Fehlanzeige, es läuft immer auf ein und dasselbe hinaus. Fand ich damals sehr enttäuschend.
Die Stahlratte versucht sich ja zumindest noch als Parodie auf Spielbücher, indem da Klischees persifliert werden (wie die Unmengen an Gegenständen, die sich dann doch als völlig überflüssig herausstellen).
So ein Abenteuerbuch von Thomas Brezina hatte ich damals auch. Brezina war ja Anfang der 90er unvermeidlich (Knickerbocker-Bande!), er hat über 70 Millionen Exemplare seiner Bücher verkauft. Für mich war das mein erstes Spielbuch, ich kannte das Konzept vorher nicht und fand es ziemlich seltsam. So wirklich anfreunden kann ich mich damit auch heute nicht, ich höre lieber bei SFS zu.
Ich bin ja auch ‚Team Telefonbuch‘, was Mháire und Gunnar angeht, aber ich finde es doppelt schade, dass sowohl SFS mit ‚Abbey of Crime‘ als auch SFSSB(?) mehr oder weniger zeitgleich Walking Sims am Start haben. Beides OK und erträglich, aber anders wäre schon schöner …
Wehe, die darauf evtl. folgende nicht so super Bewertung in einer kommenden Umfrage wird dann für eine Streichung als Argument verwendet.
Du, das war vielleicht halbernst, aber den gleichen Gedanken hatte ich auch, halbernst.
Mir macht es zwar durchaus großen Spaß, dieser „Lesung“ zuzuhören, aber ein kleines bisschen habe ich die Befürchtung, andere Hörer könnten da was missverstehen (vor allem, wenn sie die vorherigen Staffeln nicht gehört haben), und glauben, dass das für Spielbücher normal sei, und das Format dann entsprechend bewerten. Ist vermutlich völlig überzogen, und daher eben… halbernst.