Ich fand die Staffel spannend, vor allem aber die Analyse sehr gut. Ich teile aber auch die eher kritischen Zwischentöne und würde sogar sagen, dass es für mich eine eher schwache SFS-Staffel war.
Das Audioproblem mit der verfremdeten Stimme hatte ich auch, gerade weil ich das mit Kopfhörern auf dem Weg zur Arbeit in der Nähe einer Straße zu hören versucht habe. Das ging alles bestens, aber als die Stimme verstellt wurde, war es auf einmal schwierig.
Was ich ein bisschen schade fand, war der (für mich so empfundene) (wiederholte) Zusammenbruch der SFS-Metapher. Vielleicht hatte ich das auch so im Fokus, weil ich Civ sehr mag, mit den Brüchen der Metapher dort keine Probleme habe und das Thema durch die Meinung von Gunnar im Hinterkopf war. Ich weiß, dass hier viele sehr begeistert sind, und möchte das niemandem kaputtreden, aber trotzdem meine Gedanken teilen.
Wenn Chris und Gunnar ein Adventure (andere Spiele wurden bislang ja kaum gespielt) angehen, dann ist die Metapher ja die, dass da zwei Menschen ein Abenteuer lösen wollen. Sie denken sich nicht in den Noir-Privatdetektiv oder einen FBI-Ermittler, einen Rollstuhlfahrer oder Astronauten hinein, sondern spielen das Spiel und gehen als Spieler die Lösung der Probleme an, die ihnen als Spieler gestellt werden. Würden die beiden einmal ein Rollenspiel angehen, wären der Zwerg, die Kriegerin und der Magier vermutlich auch eher die ihnen als Spieler zur Verfügung stehenden Werkzeuge. Chris: „Mein Dieb hat das Schloss geknackt.“ Gunnar: „Mein Zwerg hat die Tür einfach eingeschlagen. Wurscht. Jetzt sind wir im Raum und können endlich …“
Bei den Spielbüchern ist die Metapher etwas anders: Es geht nicht nur darum, dass Buch zu lösen und das Ende zu erreichen (wie es Gunnar und Chris bei einem Adventure tun), sondern das Buch soll ehrlich angegangen werden. Eine sinnvolle Prämisse, wie ich finde. Entscheidungen werden akzeptiert und nicht erst alle Optionen angeschaut, um dann zu entscheiden. Auch ist es sinnvoll, Konsequenzen zu akzeptieren. Wenn jemand das Schwert verpasst, hat er es in der nächsten Szene nicht. Gunnar sieht seine Figuren dabei eher als Tools (einmal generieren, danach einsetzen, in der Staffel nicht drauf eingehen, dass die Crewmitglieder Hintergründe haben), während Mháire ihre Leidenschaft fürs Rollenspiel auf die Spielbuchcharaktere überträgt und mit Perma-Death spielt. Ich finde das alles gut und richtig, aber …
… es hat in meinen Augen in keiner der drei Staffeln wirklich so konsequent funktioniert, wie es anfangs postuliert wurde. Für die ersten drei Anläufe ist das eine sinnvolle Verabredung, aber früher oder später ist es damit vorbei. Beim Reiter hat Gunnar anfangs einen treuen Soldaten spielen wollen, dann aber irgendwann aufgegeben und einfach den Weg gesucht, den der Autor zur Lösung angeboten hat. Dass da Konsequenzen mitgetragen wurden, ging super gut, weil der Autor da Freiheiten für innerhalb des Buches gelassen hat. Es gab einen Weg zum Ziel, wenn man eine Fähigkeit hatte, und einen Weg, wenn man sie nicht hatte. Die alten Spielbücher bieten das aber nicht. Wenn man da Captain Left spielt, der immer links gehen möchte, kann man sich in die Rollen reindenken, aber wenn man konsequent so spielt, scheitert man. Nimmt man Captain Careful, der immer vorsichtig ist, scheitert man auch. Es kann Spaß machen, im ersten und zweiten Run so auf ein Scheitern hinzuspielen, aber irgendwann muss man als Spieler sein Wissen nehmen und das Buch wie ein Adventure lösen. Steve Jackson wollte kein Ausspielen der Rolle des Captains, er wollte den Spieler herausfordern. Dabei sollte der Captain der Spieler sein - und zwar nicht in einer Rolle, die sich der Spieler ausgedacht hat. Der Spieler sollte der Captain sein, der dem Weg des Autors folgt und das Buch wie ein Computeradventure löst.
Wenn Gunnar und Mháire das Rollenspiel auf die ersten Läufe beschränken und dann auf das Lösen des Adventures umschwenken würden, fände ich das eine legitime Verabredung, zumal es am Ende eh so kommt. Mháire hat vier Crews generiert, danach schien sie keine Lust mehr darauf zu haben. Das Buch sollte gelöst werden. Und ich war als Hörer dankbar. Die Crews hatten für Mháire sicherlich eine gewisse Bedeutung, aber ich kannte die Charaktere vom Orkenspalter nicht und wer da jetzt den Instantdeath auf Planet X ereilt, geht in der Menge der Tode und Crews irgendwann unter. Da hätte ich es gut gefunden, gleich zu sagen: Wir probieren es dreimal mit Rollenspiel, danach können wir eh nicht mehr verdrängen, was wir gelernt haben, und lösen das Buch als Spielerin und Spieler. Dieser Automatismus wirkt ohnehin und so klingt es ein bisschen „ehrlicher“, als wenn anfangs auf striktes Ruled-as-Written bestanden wird, und dann kommen Aussagen wie (sinngemäß): „Ich habe mal geguckt, der andere Weg hätte zum gleichen Ziel geführt.“ „War ich in dem Run auf dem Planeten oder in einem anderen. Egal, ich weiß ja, dass …“ „Ich hatte keine Lust mehr, weitere Crews zu generieren. Und ich bin noch so oft gescheitert, da hätte ich ja …“ „Ich habe das jetzt mal alles mit Excel mitgeschrieben und es gibt nur den Weg …“
Ich finde, dass man in den Spielbuchstaffeln merkt, ab wann es Mháire und Gunnar keinen Spaß mehr macht, sehenden Auges immer wieder in Fallen zu tappen und dann wird die Ur-Metapher ignoriert und immer pragmatischer gespielt.
Was ich auch schade finde: Bei Chris und Gunnar habe ich den Eindruck, dass sie eine Weile spielen, sich austauschen, dann Sachen weiterspielen mit dem Wissen des anderen, neue Wege davon ausgehend erkunden, Alternativen suchen. Bei den Spielbuchstaffeln wirkt es eher wie ein Nebenherspielen. Wenn dann Verweise auf „Das erzählen wir später“ oder Absprachen zum Folgenende wie „Wollen wir jetzt aufhören? Dann erzähle ich beim nächsten Mal, was ich auf Planet X erlebt habe.“ „Gerne.“ kommen, hat man als Hörer auch den Eindruck, dass nicht mit dem Wissen der bzw. des anderen weitergespielt wird, sondern jede und jeder seins macht.
Noch ein paar Ergänzungen zur Analyse: Ich finde das Buch als Lehrstück für Spielbuchautoren extrem wertvoll. Schon in der Frühzeit der Spielbücher wurden da einige Fallstricke gefunden und erfolgreich ausgelöst. Viele Sachen wurden ja auch schon in der Analyse oder davor besprochen. Ein Autor, der sich erst so viele Regeln ausdenkt, dass er sie am Ende kaum noch einbinden kann, die Verweisschleife, Sinn und Unsinn von Deadmanwalking-Abschnitten (wobei ich da nicht bei Mháire bin, weil man sich als Autor beim Breiten-vs-Tiefen-Problem ja nicht immer für die Tiefe entscheiden muss)…
Was die in meinen Augen wichtigste Lektion ist: Größe ist in Spielbüchern immer schwierig.
Es ist für die Immersion förderlich, im Kleinen zu bleiben. Das Phänomen konnte man auch bei den Reitern der schwarzen Sonne sehen. Der Einbruch am Anfang ist extrem spannend, Gunnar war voll dabei. Er hat die Bindung aber nach eigenen Worten etwas verloren, als der Auserwählter immer auserwählter wurde, die Reisen immer weiter und die Dimensionen immer größer. Dasselbe passiert hier von Anfang an durch die Metapher des Buches. Man ist eine Raumschiffcrew. Das Buch wäre so viel leichter besser machbar gewesen, wenn man sich auf eine Star-Trek-Folge beschränkt hätte. Es gibt 15 Planeten, 2 Stationen, den Asteroidengürtel, den Abschluss, die Navigation im All. Gehen wir hier mal von 20 Handlungsorten aus, dann bleiben bei 340 Abschnitten gerade einmal 17 pro Ort. Und das merkt man dem Buch an. Die Handlungen sind kurz, grob skizziert, Twists so rasch, dass sie vollkommen willkürlich wirken. Die Beschreibungen müssen viel in wenigen Worten erzählen, so dass der Schreibstil hölzern ist und Details trotzdem fehlen. „Du landest in einer Schlucht, es gibt einen Fluss. Du findest ein Pulver, dein Crew-Mitglied trinkt vom Wasser. Entscheiden darfst du nichts, ihr beamt wieder hoch.“ Da wird zu viel Größe für den Platz des Buches gewollt, als dass der Spieler noch informierte Entscheidungen treffen könnte.
Und das ist gleich die zweite Todsünde: Natürlich möchte der Autor den Spieler herausfordern und in Todesfallen locken, aber so gut wie alle Entscheidungen sind unvorhersehbar und uninformiert. Möchte man dem Alien vertrauen oder nicht? Man weiß es nicht, weil es keine Informationen gibt. Nicht durch eine vorherige Entscheidung des Spielers, nicht durch eine Probe, nicht durch eine Beschreibung der Situation. Das kann man vielen alten Büchern vorwerfen, aber durch die Größe der Welt und die Knappheit am einzelnen Ort, das Weglassen von Details, hat man noch weniger Chancen auf eine informierte Entscheidung als zuvor.
Dass Steve Jackson dies erahnt hat, kann man unter anderem daran erkennen, dass die Crew keine Namen haben soll, sondern nur wie in einem Strategiespiel eine Ressource darstellt. Es wird an vielen Stellen weniger Rollenspiel durch die Augen einer Figur geboten, sondern es werden taktisch Ressourcen verschoben. Da man nicht einen Recken spielt, sondern ein Raumschiff und eine Crew durch die Stellvertreterfigur des Captains, fühlt es sich beim Lesen weniger wie ein Captain-Rollenspiel und mehr wie ein Raumschiff-Crew-Strategiespiel mit Rollenspieleinlagen auf Planeten an. Und da bin ich ganz bei Gunnar: Die Metapher an sich ist verlockend, die Umsetzung aber wirklich nicht gut.
Man könnte jetzt auch noch etwas über die Wissenschaftlichkeit des Buches (Atomtreibstoff) oder das Verständnis des Autors von Astronomie sprechen, aber hier waren sicherlich der narrative Ansatz und die Star-Trek-Simulation vordergründig.
Auch wenn das jetzt etwas kritischer war, muss ich festhalten, dass ich mich sehr gut unterhalten gefühlt und die Staffel gerne gehört habe. Mháire, Gunnar, vielen Dank dafür. Ich freue mich schon auf die nächste Staffel.