Sammelbar sind die Bitmap Books auf jeden Fall, auch wenn ich hier „hate“ – ich habe trotzdem fünf Teile von denen im Schrank stehen und bin grundsätzlich an deren Output interessiert. Ich habe nur den Eindruck, dass sie sich gerade auf eine „style over substance“-Nische einschießen, allerdings bei Spielen und Genres, die durchaus mit Tiefe und Gamedesign-Details aufwarten, die man eingängiger betrachten könnte. Mitnichten sind das alles stumpfe Spiele, und solche oberflächlichen Betrachtungen erweisen diesen meiner Meinung nach einfach einen Bärendienst. Für mich ist es ein wenig wie die Wiederholung der 90er, als planlose Redakteure irgendwelche Genre-definierenden All-Time-Classics mit 60 % abgewatscht und sinngemäß „ist halt Street Fighter 2, schon wieder“ druntergeschrieben haben.
Das Horrorwerk war mir irgendwie zu konfus; den roten Faden habe ich etwas vermisst – eventuell erfüllt das aber tatsächlich eher die Anforderungen, die ich sowohl an das Beat-'em-up- als auch das Run-‚n‘-Gun-Buch habe. Mag da aber auch keinen Fuchs auf den Tisch legen, um dann wieder enttäuscht zu werden.
Den Nostalgietrip kann ich nachvollziehen, aber es ist halt in der aktuellen Ausgabe nur ein Fitzelbild – für die Nostalgie wäre es meiner Meinung nach sinnvoller, mehr Bilder/Artworks/Promo-Kram abzudrucken und sich die Texte eher zu sparen oder nur mit Untertiteln zu arbeiten. Deshalb finde ich das Super Famicom Coverart-Buch konzeptionell auch am besten. Das hat noch einen klaren Fokus und versucht nicht, alles zu sein. Die kleinen und hässlich platzierten Screenshots im Game-Boy-Nachfolger empfinde ich als störend beim Genuss der Boxarts.
Klar ist StayForever Bombe bei allem, was sie so tun, aber es gibt ja mehr als genug In-Depth-Analysen von quasi allem im englischsprachigen Raum – insofern mag ich mich nicht so recht mit dieser dürftigen „Historie“ zufriedengeben, die ja eigentlich gar keine ist – weil es dafür, meiner Meinung nach, irgendeiner Einordnung / Verortung bedarf.
Es hätte ja auch niemand etwas gesagt, wenn das hier quasi das „Lexikon der Run-‚n‘-Guns“ geworden wäre. Dann hätte das Alphabet schon für eine klare Anordnung gesorgt, ganz automatisch, und der Rest hätte dann mit kurzen Steckbriefen/Eckdaten ergänzt werden können. Strukturell hätte es da schon Möglichkeiten gegeben, finde ich, ohne dass es wie „Etikettenschwindel“ wirkt.
Was dein Resident-Evil-Beispiel angeht: Ich finde, dass man solche „Branches“ oder Generationen eines Genres schon darstellen und da auch Bezüge herstellen kann. Spin-Offs, die nicht zum Genre gehören, lässt man dann einfach weg. Rockman Soccer oder Rockman: Battle & Chase kommen im RnG-Buch ja auch nicht vor und behandeln nur die „klassischen“ Mega-Männer. Und gerade Mega Man hat ja ähnlich wie Resident Evil durchaus mehrere „Flavours“ anzubieten, die trotzdem alle RnG sind, zumindest nach der sehr breit gefassten Definition des Buches. Trotzdem unterliegen sie ja auch einer zeitlichen Entwicklung und leiten sich voneinander ab, auch wenn teils mehrere „Flavours“ parallel existieren – aber auch diesen Umstand kann man ja herausarbeiten und versuchen zu erklären, warum das so ist.
Was die Genreklassifizierung angeht, sehe ich das jedoch deutlich weniger eng. Hotline Miami ist für mich klar ein Run-‚n‘-Gun. Rogue-like/lite ist ja eher eine strukturelle Charakteristik, die nicht viel mit dem zugrunde liegenden Genre zu tun hat. Titel wie Mega Man hätte man früher wohl eher als Action-Jump-’n’-Runs/Platformer bezeichnet.
Puh, da bin ich vielleicht zu sehr Purist oder Grognard. Aber ich sehe wenig Gemeinsamkeiten im Gameplay von Hotline Miami und Mega Man. Das sind für mich wirklich fundamental andere Spielerfahrungen. Mega Man und Contra sind für mich deutlich dichter beieinander. Ich finde eben auch, dass durch übergestülpte Rogue-Mechaniken einige definierende Tugenden des Genres wie Patterns, Fairness, „on-point“-designte Level, schnörkellose Spielsysteme usw. ausgehebelt werden bzw. auch hier die Spielerfahrung eine andere ist. Die Top-Down-Level in Contra 3 sind nicht Hotline Miami, sind nicht Nuclear Throne. Die einzige Gemeinsamkeit ist eventuell die Perspektive, ansonsten würde ich niemals auf die Idee kommen, jemandem, der Contra mag, Nuclear Throne oder Hotline Miami zu empfehlen (was nicht heißt, dass NT oder HM nicht tolle Spiele sind, aber sie haben meiner Meinung nach keine Gemeinsamkeit mit Contra, und zwar nicht einmal in den Leveln, in denen sie sich die Perspektive teilen). Ich führe das gerne noch weiter aus, aber eventuell weißt du, wie ich es meine. Und in dem Buch sind halt auch Spiele, die wirklich klar Charakteristika anderer Genres wie Shmups haben; da reicht mir einfach ein Männchen, das rumrennt und ballert, nicht, um es mit den anderen Titeln in einen Topf zu werfen.
Ein anderes Beispiel, seit Jahren kontrovers diskutiert: „klassische“ Fighting Games und Platform Fighter – mittlerweile beides als Fighting Games akzeptiert, folgen sie dennoch ganz eigenen Regeln und sind im Kern einfach nicht vergleichbar, auch weil es kaum bis gar keine nennenswerte Übertragung an Skill zwischen den beiden gibt (allgemeine Fingerfertigkeit mal außen vor). Du kannst der beste Street-Fighter-Spieler sein und wirst dich mit Smash schwer tun, und vice versa. In Hotline Miami hast du kein Platforming, das gehört für mich beim Running und Gunning aber auch irgendwie dazu. Warum ist DooM im Buch nicht aufgeführt? Das Strafe-Run-Geballere ist pures running und gunning und das ließe sich solange fortführen, bis man am Ende bei einem Sammelbecken-Begriff wie Actiongame angekommen ist, dann kann man es auch lassen. Meiner Meinung nach ist eine genaue Definition eines Genres schon wichtig (macht man in der Biologie ja auch so), um überhaupt erst sinnvoll Entwicklungen aufzuzeigen.
Man hätte ja auch große Vorbilder ausreichend und im Detail würdigen und dann eben Derivate vorstellen können (ggf. deren Nuancen herausarbeiten). Teils sind die Texte aber so 08/15 und lieblos, dass sie mehr wie Fleißarbeit als alles andere wirken. Dann lieber noch einen Screenshot posten, wenn man nichts zu erzählen hat, anstatt heiße Luft.
Was würdest du dir denn für eine solche Abhandlung wünschen?
In erster Linie wohl ein klares Ziel/einen roten Faden. Was will dieses Buch erreichen? Bzw. ist man nach dem Lesen schlauer/wird die Versprechung des Titels eingelöst? Ich habe gar nichts gegen eine Bibel oder ein Nachschlagewerk/Katalog, aber dann erwarte ich da auch keine „Historie“. Eine solche Abhandlung müsste, sofern möglich, auf Kontext eingehen (was machen andere Genres zu einem Zeitpunkt X, wohin verlagert sich der Mainstream usw.), prägende Spielfeatures und Mechaniken auseinandernehmen (wie funktioniert es, warum macht es Spaß, warum war es wegweisend, wen hat es inspiriert), vielleicht sogar psychologische Aspekte beleuchten, Entwickler zu Wort kommen lassen und auch den Impact beleuchten (Reviews, Sales). Also in irgendeiner Form eine ernsthafte Auseinandersetzung und Ergründung des Kerns der Sache.
Eine tiefere spielmechanische Analyse einzelner Titel?
Allein zur Realisation der Grafik von Gunstar Heroes könnte man viele spannende Seiten füllen, Techniken und Eigenheiten der Hardware erläutern usw., auch spielen sich Gunstar Heroes und Contra anders, selbst Contra 3 und Contra Hard Corps sind so unterschiedlich (von regionalen Unterschieden wie den Probotectoren fange ich gar nicht an) – spätere Spiele zielen deutlich mehr auf „mastery“ und verlangen hartes „memorizen“/Optimierung für optimales Vorankommen, andere wildern eher bei Bullet-Hell oder gehen eher in die Action-Adventure-Richtung mit Upgrades und Exploration. Das wird teils mal in einem Satz erwähnt, aber das ist doch arg dünn.
Mehr jeweilige Entstehungsgeschichte und allgemein historischer Kontext?
Sofern das möglich ist, auf jeden Fall. Auch Referenzen sind ja in dem Fall cool, bspw. der harte Giger-Einschlag bei Contra. Aber eben auch Technologie und Zeitgeist haben ja direkten Einfluss – auch Events wie das Sterben der Arcades oder das finanzielle Aus bestimmter Firmen (z. B. SNK) und daraus resultierend eher bescheidene Nachfolger wie bei Metal Slug sind interessant. Das muss nicht ausufern, aber eine Orientierung wäre fein.
Welche der früheren Bücher erfüllen denn eher deine Vorstellungen?
KoF und Metal Slug sind okay, da ginge in Sachen Tiefe noch was, und wie oben erwähnt, finde ich das Super Famicom Boxartbook gelungen. Gremlin war auch gut, wenn auch sehr business-lastig, und das CRPG-Buch, auch wenn ähnliches Konzept, funktioniert für mich irgendwie besser. Allerdings bin ich da nicht so sehr in der Materie drin und habe da tatsächlich einige spannende Titel gefunden. Meine favorisierten Retrospielbücher sind aber alle eher von Read-Only-Memories (Street Fighter, Bitmap Brothers) bzw. einige habe ich nur in E-Book-Form. Hatte auch mal eine tolle Abhandlung über Dark Souls und Bloodborne, finde nur gerade den Autor nicht. Die behandeln halt alle auch Aspekte jenseits des Offensichtlichen.
Weiß nicht, ob ich sagen könnte, dass sich die Qualität allgemein verschlechtert hat.
Nur mein subjektiver Eindruck – ich hatte den Eindruck, die Frühwerke waren „enthusiastischer“ – mittlerweile wirkt das, was sie tun, etwas formelhaft/seicht. Zumindest bei diesen Schwerpunktbüchern.
Dass nächstes Jahr ein Fighting-Game-Buch erscheinen soll, wusste ich noch gar nicht.
David L. Craddock :: Book Announcement: FIGHT! Wobei David gute Sachen macht; das hatte ich schon wieder vergessen, dass er da involviert ist – könnte also doch gut werden.
Das ist wohl das Dilemma: Wenn man in einem Bereich einen hohen Kenntnisstand und eine große Leidenschaft hat, wird man darin immer weniger finden, was unbekannt oder erhellend ist.
Run-‚n‘-Guns (in der klassischen, zweidimensionalen Sorte) waren unser Leben, und wie gesagt, ich habe eine absurd hohe Zahl der Titel in dem Buch mindestens gespielt, meist aber sogar besessen oder habe sie sogar heute noch. Insofern ja, Unbekanntes oder Erhellendes gibt es eigentlich so nicht mehr (deswegen ist StayForever mit deutschen Spielegeschichten ja auch so eine Goldgrube), und ich bin zunehmend obskurer unterwegs – freue mich bspw. sehr auf den Release vom Spectrum „Mini“ in diesem Monat.
Schwierig, da die Balance zwischen Zugänglichkeit und tiefgehender Behandlung zu finden, gerade bei einer ganzen Spielegattung.
Trotzdem scheitert das Buch meiner Meinung nach auch strukturell als Nostalgietrip (zu wenig Bilder, Texte nicht von Fans geschrieben)/Nachschlagewerk (Anordnung, Sortierung, teilweise Gestaltung, Inhalt) – ich bemängele ja nicht nur die mangelnde Tiefe, sondern auch die mangelhafte User Experience, wodurch es in meinem Fall wirklich ungenießbar wird.
Will damit deine Kritik gar nicht invalidieren. Wie gesagt, ziemlich nachvollziehbar. Und ich kenne das Buch ja noch nicht. Ich hoffe, ich komme hier nicht angreifend oder provokant rüber. Mir geht’s nur um fruchtbare Diskussionen. 
Alles cool. Mich würde tatsächlich interessieren, wie du das Buch findest, wenn du es vor dir hast. Freue mich darauf, deine Eindrücke zu lesen und wie du meinen Text dann empfindest.