Ich habe SOVEREIGN SYNDICATE durchgespielt.
(steam / gog)
Das ist ein narrativ getriebenes Rollenspiel in der Iso-Perspektive.
Es spielt in einem alternativen SteamPunk London, welches von Menschen, Tierwesen (Minotauren, Centauren) und Fantasywesen (Zwerge und Werwölfe) bevölkert wird. Außerdem gibt es noch Automata genannten Maschinen, welche jedoch über keinen eigenen Willen verfügen.
Die Leichen von übel zugerichteten Prostituierten werden gefunden und die drei spielbaren Protagonisten machen sich auf die Suche nach dem Mörder.
- Das wären ATTICUS DALEY, ein magisch begabter Minotaur. Ständig besoffen oder sonstwie zugedröhnt ist er ganz unten in der Gosse angekommen.
- CLARA REED ist eine Prostituierte die von ihren reichen Liebhabern ausgehalten wird und sich sowohl in der feineren Gesellschaft, als auch in den Kaschemmen und dunklen Gassen von London zu bewegen weiß.
- Der Zwerg TEDDY REDGRAVE ist Monsterjäger und Ingenieur, welcher sein Geld damit verdient üble Kreaturen zur Strecke zu bringen und seine Zeit damit verbringt an seinem Automaton mit dem schönen Namen OTTO herumzuschrauben.
Neben der Mordserie haben alle drei jedoch eine eigene Agenda und eigene Geschichten, welchen sie folgen.
Man steuert die drei Protagonisten abwechselnd (nicht gleichzeitig wie z.B. in Baldur’s Gate).
Die Handlung ist in Kapitel unterteilt, wobei jedes Kapitel immer einem von ihnen gewidmet ist.
London setzt sich aus verschiedenen Orten zusammen, welche man frei erkunden kann.
Hierbei wird jeder Ort durch eine Iso-Karte dargestellt, von welcher man noch einmal auf bis zu fünf unterschiedliche Nebenschauplätze gelangen kann.
Sorris Square mit den verschiedenen Nebenschauplätzen
Die Schauplätze stellen sich für Clara, Atticus und Teddy hierbei immer ein bisschen anders dar. Dinge, die dem einen auffallen sieht der andere gar nicht. Manche Bereiche können nicht von jedem betreten werden und manche Bewohner reagieren auch ganz anders, je nachdem von wem sie angesprochen werden.
Es kann dabei sogar durchaus vorkommen, dass man einem der beiden anderen Protagonisten über den Weg läuft.
Sorris Square in der Iso-Ansicht
Sobald man mit Personen oder Gegenständen interagiert, öffnet sich ein Gesprächsfenster. Hier führt man nun ein Gespräch oder einen inneren Monolog.
Je nachdem wie man sich dabei verhält steigert man einen seiner 4 individuellen Charakterwerte:
Ist man als Clara taktvoll, steigert man sein Taktgefühl „Tact“. Verhält man sich wild und aufbrausend wie ein Tier, steigert man als Atticus seinen „Animal Instinct“. Und wenn Teddy ein Gerät eingehend untersucht, verbessert sich sein „Analysis“ Wert.
In manchen Situationen muss man auf diese Werte dann Proben ablegen. Mit einem hohen „Animal Instinct“ schüchtert man ein Bandenmitglied viel leichter ein und verfügt man über einen gewissen „Intellect“, ermöglicht dies Clara, einem Schlauberger auf Augenhöhe zu begegnen.
Die vier Charakterwerte
Das Gesprächsfenster
Auch wenn es die Perspektive vermuten lassen würde: Es gibt keine Iso Taktikkämpfe oder ähnliches, das gesamte Spiel wird auf diese Art und Weise, also in den Gesprächsfenstern erzählt.
Das ist es, was der Hersteller CRIMSON HERRING möchte: Eine Geschichte erzählen!
Und das führt zum Hauptproblem des Spiels: Gewählte Perspektive und Intention der Macher passen überhaupt nicht zusammen.
Eine Iso-Perspektive ist weit von den handelnden Personen und den Schauplätzen entfernt, verschafft einem jedoch Übersicht. Das macht Sinn, wenn man diese benötigt. Weil man zum Beispiel sehen muss, was links oben passiert, wenn man rechts unten steht, oder man seine Leute für den nächsten Konflikt in Formation bringen muss.
In Sovereign Syndicate gibt es jedoch keine (Taktik-)Kämpfe oder ähnliches. Stattdessen führt die gewählte Perspektive dazu, dass man unendlich viel Zeit damit verbringt wieder und wieder über ziemlich leeren Karten zu laufen.
Wenn ein neues Kapitel beginnt (und man in der Regel den Protagonisten wechselt), ist es schon eine ewige Latscherei, wenn man einfach nur den gerade aktuellen Quests folgt.
Man würde sich gerne darauf verlassen, dass sich an den anderen Orten nichts verändert hat und die dort stehenden Leute nichts Neues zu sagen haben. Und das ist meistens auch der Fall.
Aber eben nicht immer!
Manchmal gibt es abseits der Orte, die man für die Quests besuchen muss, eben doch etwas zu entdecken. Und das hat mich irre gemacht! Ich will ja nichts potentiell Wichtiges verpassen!
Also: Kapitelwechsel - alle Orte ablaufen - alle Leute ansprechen - ein oder zwei Quests erledigen - Kapitelwechsel - alle Orte ablaufen - alle Leute ansprechen - (usw.)

Dieses Spiel hätte eine wirklich tolle Visual Novel sein können! Die gesamte Handlung findet ja eh in den Gesprächsfenstern statt. Warum man mich stattdessen zwingt unendliche Laufwege hinter mich zu bringen, erschließt sich mir nicht.
Und auch das Eintauchen in die verschiedenen Schauplätze, das noble Bordell, die üble Hafenschenke, die verdreckte Kanalisation usw. wäre mir mit tollen Bildern der wirklich talentierten Künstler viel leichter gefallen.
So schwebt die Kamera weit über dem Geschehen und ein Hotspot muss mir sagen, dass irgendwo ein Haufen zerbrochene Flaschen liegt. So klein, dass ich sie in der Iso-Ansicht kaum identifizieren kann…
Wie auch immer:
Sovereign Syndicate bietet eine gute Geschichte in einem tollen, hervorragend ausgearbeiteten Setting. Die Dialoge und die Story sind umfangreich und super geschrieben. Das alles lässt mich auf weitere Spiele von Crimson Herring in dieser spannenden Welt hoffen.
Ich habe es nicht bereut bis zum Ende durchgehalten zu haben, aber wegen der unendlichen, sinnlosen Lauferei war ich mehrmals kurz davor abzubrechen.
Als fokussierte, straffe Visual Novel wäre Sovereign Syndicate meiner Meinung nach viel besser gewesen.
–
P.S.: Eines hätte ich beinahe vergessen. Es gibt eine Stelle im Spiel, die ist so großartig, dass ich mir gewünscht hätte, die Entwickler hätten dem Ganzen viel mehr Platz gegeben (oder vielleicht sogar ein eigenes Spiel daraus gemacht):
Im Verlauf der Handlung bekommt Otto das Automaton von Teddy ein Bauteil eingebaut, welches ihm zu einem eigenen Bewusstsein verhilft. Daraufhin kann man in der Haut von Otto die Welt erkunden und sich auf alle möglichen, für eine Maschine nur schwer zu verstehenden Handlungen und Eigenheiten der Menschen einen Reim machen und dabei lernen. Das alles ist so großartig geschrieben… Dieser Abschnitt war einfach spektakulär!